Das Thema der Improvisation steht zum dritten Mal im Zentrumder Veranstaltungsreihe „TanzNite“ auf der wiedereröffneten Grazer Studiobühne. Dass es ein weites, variationsreiches Feld ist, das immer wieder zu erkunden wert ist, das bewies der Moderator, Ballettdirektor Darrel Toulon, gemeinsam mit den Mitgliedern der Tanzkompanie der Oper Graz und den beteiligten, kongenialen Musikern.
Bei der ersten der drei Programmpräsentationen am 26. November handelte es sich um den Bassisten Reinhard Ziegerhofer, Norbert Wally von „The Base“ an der Gitarre und Nevenko Bucan von „La Cherga“ am Laptop in Kombination mit weiterer Elektronik und Tastatur. Er wirkt als einziger auch am 28. und 29. November mit, mit ihm sind am Freitag der Balkan-Geiger Boris Mihaljcic und am Samstag die Sängerin Vesna Petkovi? sowie der Pianist und Komponist Maurizio Nobili dabei. Das Format bleibt aber bei jeder der drei Präsentationen gleich – bei durchgehend improvisierenden KünstlerInnen ist es selbstredend jeweils ein Unikat.
Dass Kunst überraschen müsse, das postulierte schon Merce Cunningham - und Toulon seinerseits betonte es mehrmals an diesem Abend. Sein ideenreiches Konzept, das sich aus etwa zehn Perspektiven und Annäherungsformen mit dem Thema auseinandersetzte bzw. die Möglichkeiten, mit Improvisation zu arbeiten, dem Publikum abwechslungsreich bewusst machte, das überraschte in der Tat immer wieder, eröffnete neue Einblicke in die Entstehung von Tänzerischem, ja, in das, was Tanz sein kann. Tanz wurde, so hatte man den Eindruck und das Gefühl, für alle anwesenden „TanzNite“- Fans (die Vorstellung war ausverkauft) noch greifbarer und vor allem auch noch lebendiger.
Die konkrete tänzerische Umsetzung der zahllos gegebenen Möglichkeiten von Improvisation bzw. die Erfüllung der Vorgaben für die jeweilige Exercise, Phrase oder auch für einen Tanz war freilich eine Herausforderung für die Grazer TänzerInnen, der sie nicht immer ganz gerecht werden konnten. Sie hatten sich im Solo, Duo, Pas de trois, als mehrere Paare oder als corps de ballet spontan einer Aufgabe zu stellen, die zwischen Improvisation mit und ohne Kontakt, "Shape und Copy" oder thematischer Vorgaben durch das Publikum changierten. Sie mussten fern jeder traditionell-choreographischen Vorgabe auf etwas oder aufeinander reagieren. Das ist mutig und damit darf Scheitern oder jedenfalls nicht ganz Überzeugendes inbegriffen sein. Dies wurde insbesondere in nicht allzu großer oder aufgabenspezifischer Bewegungsvielfalt des jeweiligen Tänzers und im teilweisen Fehlen von unüblichen Formen von Kreativität in der improvisierten „Antwort“ auf die Aufgabenstellung deutlich. Allein – wo und wann haben die TänzerInnen in Graz Gelegenheit zur Entwicklung derartiger Kompetenzen? Sie und auch ihre bisherigen Kolleginnen im Grazer Corps de ballet hatten es immerhin und erstmals nun in der Ära Toulon – einem Zeitgeist, einer sich Raum schaffenden, internationalen Entwicklung entsprechend, unabhängig von „Geschmäcklerischem“.
Insgesamt ist jedenfalls festzustellen, dass Freiraum der Kreativität nicht unbedingt gut tut! Denn je enger die Vorgaben – thematisch oder formal – waren, desto eher entstand Überraschendes, Neues, zum Teil künstlerisch Wertvolles.
Dass aber auch künstlerischer Eigenständigkeit ganz anderer Art derzeit in Graz Raum gegeben wird, belegte die Möglichkeit, die Martina De Dominicis bekommen hatte: eine choreographische Idee mit Kolleginnen umzusetzen und in diesem Rahmen, als choreographische Miniatur (und „Draufgabe“ zum eigentlichen Programm) , auf die Bühne zu bringen. Eine thematisch verwurzelte, berührende Arbeit, die aber auch formal und als eigenständiger Anfang in diese Richtung überzeugte.
Tankompanie der Oper Graz: „TanzNite2“ am 26. November 2014, Studiobühne der Oper Graz. Weitere Vorstellungen: 28. und 29. November 2014