Als Plädoyer für Toleranz und Akzeptanz ist die Kinderoper „Der Bettelknabe“ von Gerald Wirth konzipiert, die mit den Wiener Sängerknaben, einem Projektchor und der Schubert-Akademie unter der Leitung von Bomi Kim im MuTh zur Uraufführung kam. Mit dem patscherten Versuch die komplizierte Handlung, aus dem 19. Jahrhundert ins Heute zu verlegen, verfehlt die Inszenierung allerdings den erhofften Impakt.
Mit seiner Komposition mit orientalischen Anklängen fordert Wirth nicht nur die Sängerknaben sondern auch den für diese Produktion zusammengestellten Projektchor aus Menschen unterschiedlichen Alters heraus. Den einzelnen Rollen hat der Komponist jeweils differenzierte Klangwelten zugeordnet. So folgt der Bettelknabe Joel einer einfachen Melodienführung, quickst der Hofnarren munter zwischen den Intervallen, rappt der Führer, ein Sarazene, seine Warnungen vor den Gefahren der Reise. Die Inszenierung der Handlung aus vergangenen Zeiten hat Regisseurin Maria Happel unter anderem auf einen Flughafen verlegt. Doch das Pendeln zwischen unterschiedlichen Zeitebenen erweist sich bei dem komplexen Plot (Text: Tina Breckwoldt) als inkonsequent und verwirrend. Erzherzog Albrecht reist mit seinem Hofnarren wallfahrend nach Jerusalem, um sich Rat zu holen, wie er sich gegenüber seinem Vetter, der seinen Thron streitig machen will verhalten soll und ob er das Todesurteil über einhundert Ketzer vollstrecken soll, wie es von ihm erwartet wird. Er reist offenbar per Flugzeug, denn wir befinden uns in einem Flughafen. Zur selben Zeit ist ein jüdischer Kaufmann mit seinem Enkel Joel auf Handelsreise in Palästina unterwegs. Während die Handelskarawane auf der Wüstenoase, auf der sie Station macht, von Räubern überfallen wird, und Joels Großvater dabei ums Leben kommt, kampieren die Pilger unbeschadet in der Nähe. Erzherzog Albrecht nimmt den zum Waisen gewordenen Buben mit nach Wien ("Es ist unsere Christenpflicht"), wo er dem Gespött seiner Altersgenossen ausgesetzt ist und im Hofnarren einen mitfühlenden Freund findet. Der Dialog zwischen den beiden überzeugt Albrecht davon die Ketzer zu begnadigen.Bei dieser komplexen, hier im Zeitraffer wiedergegebenen Story wäre eine Übertitelung hilfreich, denn es mangelt beim Gesang an Textverständlichkeit.
Insgesamt fehlt es aber vor allem der Inszenierung an Tempo und Feuer. Lediglich die Hauptdarsteller können durch ihre Darstellung überzeugen. Die Aktionen des Chores wirken ratlos. Auch wenn die Sängerknaben bei ihrer Interpretation das Beste geben, scheinen auch sie mit der unlogischen Handlungsführung überfordert. Warum tritt beispielsweise der Chorleiter im Stück als Trainer einer Fussballmannschaft samt Trillerpfeife auf? Sehr zahm und unentschlossen agieren die Knaben als marodierende Räuber. Die Überfahrt in offenen Boot auf stürmischer See weckt Assoziationen an die aktuellen Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer, im Sinne des Opernplots ist sie aber nur als weiteres Action-Modul nachvollziehbar. Wenn zum Finale alle Beteiligten „Liebe deinen Nächsten“ singen, so ist dem freilich nicht zu widersprechen …
„Der Bettelknabe“, gesehene Vorstellung: Presse-Vorpremiere am 30. April. Premiere am 1. Mai im MuTh. Weitere Vorstellungen am 5. und 6. Mai sowie für Schulen von 11.-13. Mai.