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Einstieg Clug2913Anlässlich des 100. Jahrestages der Weltpremiere von Igor Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ schuf Edward Clug mit dem Maribor Ballett seine Version des Klassikers der Moderne zu Musik von Igor Strawinsky und Dmitri Savchenko-Belski. Kurz bevor in Folge der Corona Pandemie die Theater in unserem Land ihren Spielbetrieb einstellen mussten, erlebte das Darmstädter Publikum noch einmal ein großartig performendes Hessisches Staatsballett in einer Choreografie des Frühlingsopfers der ganz besonderen Art.

Nach der Premiere Ihrer Version des Strawinsky Meisterwerks 2012 in Maribor schrieb Maggie Foyer im Dance Europe Magazine: "Edward Clug, Direktor des Ballett Maribor, erreicht das fast Unmögliche: eine neue und aussagekräftige Interpretation von Strawinskys ‘Le Sacre du Printemps’.“ Wie haben Sie das damals empfunden?

Eine solche Reaktion war zu dieser Zeit sehr ermutigend für mich und es war ja auch mein Wunsch gewesen etwas Neues zu versuchen. Strawinskys ‘Frühlingsopfer’ war nicht irgendein weiteres Stück, das ich auf die Bühne bringen wollte. Es ist ein wichtiger Teil der Ballettgeschichte und das Erbe ist riesig. Seit der Premiere im Jahr 1913, im Laufe des 20. Jahrhunderts, können wir durch die vielen verschiedenen Interpretationen auch die kontinuierliche Entwicklung des modernen Tanzes sehen. Ich wusste, dass ich mich diesen Informationen nicht entziehen konnte und natürlich spürte ich den enormen Anspruch und die Herausforderung. Die Frage war, wie sollte ich diese Geschichte nacherzählen. Was konnte ich dem hinzufügen, was bereits gesagt worden war? Was sollte mein ganz persönlicher Beitrag sein?

Wann sind Sie Strawinskys "Le Sacre du Printemps" zum ersten Mal begegnet?

Ich war vielleicht 18 oder 19 Jahre alt, nur ein Tänzer, der nicht einmal davon träumte oder daran dachte, jemals Choreograf zu werden. Als ich das Stück dann zum ersten Mal hörte, sah ich die Bilder vom Tanz vor meinen Augen. Diese erste Begegnung hatte meine Fantasie in gewisser Weise angeregt, aber erst viel später traf ich schließlich die Entscheidung, mich dem Stück zu nähern und eine eigene Choreografie dafür zu erarbeiten.

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Hessisches Staatsballett "Le sacre du printemps". hinten Nicolas Frau, vorne Jorge Moro Argote

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Hessisches Staatsballett "Le Sacre du Printemps". v.l.n.r.: Denislav Kanev, Ezra Rudakova, Greta Dato, Jorge Moro Argote, Ludmila Komkova, Nicolas Frau

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Hessisches Staatsballett "Le sacre du printemps". v.l.n.r.: Ezra Rudakova, Jiyoung Lee, Ludmila Komkova

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Hessisches Staatsballett "Le sacre du printemps". v.l.n.r.: Denislav Kanev, Marcos Novais, Daniel Myers, Ezra Rudakova,
Enrique López Flores, Nicolas Frau, Ludmila Komkova, Natalia Garcia Prieto, Greta Dato, Jorge Moro Argote

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Hessisches Staatsballett "Le sacre du printemps". Tänzerin vorne links: Natalia Garcia Prieto, Tänzer Mitte: Daniel Myers und Ensemble

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Hessisches Staatsballett "Le sacre du printemps". Daniel Myers, Jiyoung Lee

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Hessisches Staatsballett "Le sacre du printemps". v.l.n.r.: Denislav Kanev, Daniel Myers, Jorge Moro Argote, Nicolas Frau, Jiyoung Lee,
Sayaka Kado, Enrique López Flores, Marcos Novais, Ezra Rudakova, Ludmila Komkova, Greta Dato, Natalia Garcia Prieto

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Hessisches Staatsballett "Le sacre du printemps". v.l.n.r.: Ludmila Komkova, Nicolas Frau, Denislav Kanev, Jorge Moro Argote, Daniel Myers, Sayaka Kado, Enrique López Flores, Marcos Novais, Jiyoung Lee, Greta Dato

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Hessisches Staatsballett "Le sacre du printemps". v.l.n.r.: Nicolas Frau, Denislav Kanev, Ludmila Komkova, Enrique López Flores, Greta Dato, Ezra Rudakova, Sayaka Kado, Daniel Myers, Natalia Garcia Prieto, Marcos Novais, Jorge Moro Argote, Jiyoung Lee

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Erklären Sie uns bitte, wie man sich den kreativen Prozess zu einer neuen Choreografie bei ihnen vorstellen kann.

Am Anfang steht ein grobes Konzept. Gemeinsam mit dem Bühnenbildner Marko Japelj, mit dem ich seit langer Zeit zusammenarbeite, sind wir der Frage nachgegangen, was wir heute im 21. Jahrhundert opfern. Natürlich verbindet man diese Frage unwillkürlich mit der drohenden globalen Katastrophe und wie wir Menschen mit der Natur umgehen. Aber andererseits wollte ich mit dem Stück nicht wirklich politisieren oder aktiv werden. Und obwohl wir mit solchen Ideen angefangen haben, habe ich mich dann, als ich wieder anfing, mit den Tänzern an ‘Le Sacre’ zu arbeiten, nur auf die Musik konzentriert. Die Musik ist so reichhaltig, sie ist so inspirierend. Ich dachte mir, wir wäre es, wenn wir einfach zu dieser Musik tanzen. Ich entschloss mich dazu, in einen direkten Dialog mit der Musik zu treten und zu sehen, was passiert.

Wie kamen Sie darauf, das Element Wasser in ihre Choreographie zu integrieren.

Wir waren im Grunde genommen mitten im Prozess, als wir beschlossen, Wasser in das Stück zu bringen. Der Moment war entscheidend, denn nach zehn Minuten Choreografie sind es noch 25 Minuten des Stücks, die letztendlich im Wasser entwickelt werden müssen. Indem wir diese Entscheidung getroffen hatten, brachten wir das Stück auf eine völlig neue Ebene. Etwas, was zuvor noch niemand in „Le Sacre du Printemps“ getan hatte.
Zuerst haben wir das Element Wasser untersucht, nicht nur die choreografischen Möglichkeiten die wir hatten, sondern auch im Hinblick auf die Bedeutung des Rituals. Das Element Wasser auf einer Theaterbühne ist ungewöhnlich und unnatürlich, aber es spricht alle unsere Sinne an und es lässt die Dinge die wir sehen plötzlich realer erscheinen. Aufgrund seiner Eigenschaften ist Wasser nicht exakt kalkulierbar, deshalb sind die Tänzer wegen dieser nassen Oberfläche so angespannt. Der Aspekt der Gefahr, den wir auch in der Musik fühlen können, ist sehr gut definiert. Auf der anderen Seite haben wir aber auch Momente, die lyrisch, fast poetisch sind. Wenn die Tänzerinnen durch das Wasser gleiten, sehen sie fast aus wie diese russischen Puppen. Im zweiten Teil gibt es einige lyrische Momente, in denen wir etwas tiefer gehen um die Emotionen oder sogar die Seele der Auserwählten deutlich zu machen. Es ging uns nicht nur um den Effekt und ich denke, dass ist es was das Stück zu etwas Besonderem macht.Text1 Clug2825

Wie haben die Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles die Proben im Wasser erlebt?

Einiges was wir im Wasser probten gelang von Anfang an ziemlich gut, aber natürlich rutschten die Tänzer auch aus und fielen hin. Aber das Ensemble lässt sich sehr gerne herausfordern. Sie mögen auch die zum Teil grotesken Seiten in der Choreographie. Alle sind hier sehr offen und aufgeschlossen etwas Neues auszuprobieren. Am Bolschoi Ballett, mit denen ich gerade an einem neuen Stück arbeite, weiß ich, dass man in dieser Hinsicht eine ganz andere Einstellung hat. Ich bin wirklich beeindruckt von der Leistung der Tänzerinnen und Tänzer dieses Ensembles.
In den Proben war es wichtig, dass wir die Tänzerinnen und Tänzer nicht allzu lange im Wasser hielten, da es sehr schnell abkühlt. Das Einstudieren einer Szene kann mit der Zeit dann etwas unangenehm werden. Wir haben also immer nur solange im Wasser geprobt, wie nötig und dann, wenn eine Szene fertig war, ging es weiter auf trockenem Tanzboden. Aber auch dann, wenn eine Szene komplett einstudiert ist, fühlt man, dass die Tänzer im Wasser nie völlig entspannt sind. Und diese spürbare Anspannung ist es, die das Geschehen auf der Bühne so real werden lässt.

Hessisches Staatsballett: „Le Sacre du Printemps“ von Edward Clug am Staatstheater Darmstadt. Premiere am 29. Februar 2020 in einem Doppelabend mit dem Ballett „29 May 1913“ von Brian Arias. Die geplanten nachfolgenden Aufführungen wurden aufgrund der aktuellen Covid-19 Situation bis auf Weiteres ausgesetzt.

 Alle Fotos: Ingo Schäfer

PortraitEdwardClugEdward Clug

Edward Clug erhielt seine Ballettausbildung u. a. an der Schule des Nationalballetts von Cluj-Napoca in Rumänien. 1991 wurde er als Solist ans Slowenische Nationaltheater in Maribor engagiert. Eine enge Zusammenarbeit verband ihn dabei mit dem Theaterregisseur Tomaž Pandur, mit dem er als Tänzer in dessen Avantgarde-Produktionen kooperierte. 2003 wurde er schließlich zum Ballettdirektor des Slowenischen Nationaltheaters ernannt. 2005 kreiert er "Radio & Juliet" nach der Musik von Radiohead, das zu einem weitreichenden Erfolg wurde und seinen choreografischen Stil international bekannt machte. Vielbeachtete Choreografien wurden in der Folge als Gastspiele weltweit präsentiert, so u.a. auf dem Jacob’s Pillow Dance Festival (USA), dem Stars of the White Nights Festival in St. Petersburg oder dem Seoul International Dance Festival in Südkorea. Clug gehört seit Jahren zu den gefragtesten zeitgenössischen Choreografen. Seine Arbeiten entwickelte er u.a. am Stuttgarter Ballett, mit dem Nederlands Dance Theatre, Bolshoi Ballet Moscow, Wiener Staatsballett oder am Staatstheater am Gärtnerplatz in München. Zahlreiche Auszeichnungen begleiten sein künstlerisches Schaffen. So erhielt er etwa für sein Lebenswerk 2005 und 2008 die beiden höchsten slowenischen Kulturpreise, den Prešeren Award und den Glazer Charter. Darüber hinaus wurden seine Projekte Quattro 2010 für den Golden Mask Award in Moskau und Handman 2017 für den prestigeträchtigen Benois de la Danse nominiert.

 

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