Die Museen dürfen wieder ihre Türen für BesucherInnen öffnen. So ist im Leopold Museum die Ausstellung „Visuelle Revolution“ über das künstlerische Werk von Emil Pirchan zu sehen. Im Theatermuseum eröffnet am 8. Februar die Videoinstallation „After the End and Before the Beginning“ von Toxic Dreams. Da Theater bekanntlich zu bleiben müssen, erklärt sich die Wiener Staatsoper nun zu einem Architekturmuseum.
Emil Pirchans bestechende Vielfalt
Die großflächigen Farbflächen verdecken die Körper und evozieren doch die Bewegung der Tänzerinnen: Diese Plakate veranschaulichen damit das Geheimnis des Tanzes, dessen Ausdruck weit mehr ist als bewegte Körper. Zwar sind diese Plakate zu einem Markenzeichen von Emil Pirchan (1884-1957) geworden, doch der Künstler ist heute weitgehend unbekannt. Das mag einerseits daran liegen, dass er schwer einzuordnen ist. Er scheint von einem unermüdlichen Schaffensdrang getrieben gewesen zu sein, wollte immer wieder neue Medien ausprobieren, um seine „visuelle Revolution“ zu manifestieren. Und er veränderte sich mit der Zeit. Seine Arbeiten reichen von Designs im Jugendstil über die expressionistische Ästhetik bis hin zum kühlen Geschmack der Nachkriegszeit.
Andererseits lagerte das Werk Emil Pirchans jahrelang unbeachtet im Speicher. Erst vor wenigen Jahren hob Beat Steffan, der Enkel des Künstlers, den Schatz, den sein Großvater hinterlassen hatte: jene im Besitz der Familie verbliebenen Kisten auf dem Dachboden des Elternhauses in Zürich. Die Wiederentdeckung führte zur Aufarbeitung des Nachlasses, zu der umfassende Publikation „Emil Pirchan. Ein Universalkünstler des 20. Jahrhunderts“ (siehe Buchbesprechung auf tanz.at) und zu einer 2019 im Museum Folkwang in Essen präsentierten Ausstellung. Nun ist diese in erweiteter Form im Leopold Museum zu besichtigen.
Sie stellt Emil Pirchan in seinen unterschiedlichen Rollen vor: als Architekt, Designer, Grafiker, Bühnenbildner und Autor. Seine Zusammenarbeit mit TänzerInnen war prominent in seinem Werk bis zur Nachkriegszeit vertreten, er arbeitete als Grafiker, Kostüm- und Bühnenbildner etwa für die Schwestern Wiesenthal, für Ruby Betteley oder Gertrud Leistikow. Als Autor verfasste er unter anderem ein Buch über Harald Kreutzberg, das den Tänzer auch als begabten Zeichner präsentierte.
Die Facetten des vielseitigen Künstlers Emil Pirchan sind im Leopold-Museum mit Nachbauten seiner Architekturmodelle, mit seinen Plakate, zahlreichen Fotos und Entwürfen für Schmuck, Spielzeug, Stoffe, Vasen, bis hin zu Blumenbehältern, und Notenpulten repräsentiert. Einrichtungsgegenstände wie Psychen, Schränke und ein Kinderzimmer sind weitere Highlights der Ausstellung.
Die sorgfältig, ja liebevoll zusammengestellte Ausstellung „Visuelle Revolution“ vermittelt das Bild eines eigenwilligen Künstlers auf der ständigen Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten.
Theatermuseum goes virtual
Das Theatermuseum will sich offenbar nicht so ganz von der virtuellen Realität verabschieden und eröffnet am 10. Februar mit einer Videoinstallation.
In „After the End and Before the Beginning” schreiben Yosi Wananu und toxic dreams Schlüsselwerke der Weltliteratur weiter. In neun Kurzfilmen erzählen Hamlet, Lady Macbeth, Blanche DuBois oder Eliza Doolittle auf einer Taxifahrt dem Fahrer ihre Geschichte davor oder danach. Verkörpert werden die Protagonistinnen von hinreißenden DarstellerInnen: Stephanie Cumming (Winnie aus „Glückliche Tage“ von Samuel Beckett), Nina Fog (Lady Macbeth); Susanne Gschwendtner (Eliza Doolittle aus „Pygmalion“ von George Bernard Shaw); Isabella Händler (Blanche DuBois aus „Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams); Anna Mendelssohn (Nora aus „Nora oder ein Puppenheim“ von Henrik Ibsen); Jutta Schwarz (Claire Zachanassian aus „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt); Anat Stainberg (Olga aus „Drei Schwestern“ von Anton Tschechow); Florian Tröbinger (Woyzeck) und Markus Zett (Hamlet)
Die Monitore sind über mehrere Ausstellungsräume des Palais Lobkowitz verteilt, in dem das Theatermuseum und für einige Jahre nun auch die Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künst Wien zu Hause sind. Die BesucherInnen können ihre Route selbst zusammenstellen bzw. entscheiden, welchem Charakter und welcher Geschichte sie folgen möchten. Jede Film-Station hat ein von alten Lichtspieltheatern inspiriertes Präsentationsdesign, das einen atmosphärischen Kontext zum Raum und den Werken des Theatermuseums und der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste herstellt.
Bleibt zu hoffen, dass man bei einem neuerlichen Lockdown demnächst das Pandemie-taugliche Programm nicht wieder vollends in den digitalen Raum verlegen muss.
Theater als Museum
Die Staatsoper will ihr Publikum wieder haben. Zwar dürfen Oper und Ballett (noch?) nicht live vor Publikum stattfinden, aber neben dem kontinuierlichen Streaming-Programm, das das Haus seit dem ersten Lockdown bietet, will man nun doch wieder ein bisschen haptische Erfahrung bieten. Also macht Staatsoperndirektor Bogdan Roscic sein Haus zu einem Architekturmuseum.
In Prä-Corona-Zeiten besuchten jedes Jahr über eine Viertelmillion Menschen die Führungen durch die Wiener Staatsoper. Führungen sind aufgrund der geltenden Verordnungen zwar ein No-Go, aber die historische Bedeutung kann man BesucherInnen auch unter Einhaltung der Abstandsregeln nahebringen. Dabei werden sie auf einem klar erkennbaren Pfad durch die historischen Räume des Gebäudes geleitet. Auf den 19 Stationen gibt es Informationstafeln mit QR-Codes, die zu vertiefenden Texten, Fotos, Videos sowie Audiofiles führen.
Zu besichtigen sind das Vestibül, also der Eingangsbereich der Oper, die Feststiege, die Prunkräume Teesalon, Gustav Mahler-Saal, Marmorsaal, Schwindfoyer und Loggia sowie die kaiserliche Mittelloge mit einem Blick in den Zuschauerraum und auf die Bühne. Der Rundgang endet im soeben neu eröffneten, architektonisch ebenfalls sehr interessantem Opernfoyer, in dem sich ein Shop sowie die Ticketschalter befinden.
Ab 12. Februar kann man zumindest von Freitag bis Sonntag wieder ein bisschen Opernluft atmen!
PS: Alles, was wir hier mit Enthusiasmus und Freude über die Öffnung von Kulturinstitutionen berichten, ist subject to change. Gerade kommt die Meldung herein, dass die Stadt Wien Lockdowns für die Wochenenden plant. Das hieße, dass die Wiener Staatsoper bei den Öffnungstagen umdisponieren müsste …