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solimanBereits 1996 realisierte Bert Gstettner eine Produktion, die sich mit Angelo Soliman auseinandersetzte. Damals  in einem offenen als Installation konzipierten Raum. Nun hat er das Phänomen Soliman in einem szenischen Reigen bei OdeonTanz3 auf die Bühne gebracht.

Mit Tanz, Performance, Texten und Musik (von Chevalier de Saint-Georges, Max Brand und Günther Rabl) spürt Gstettner Angelo Soliman nach, der als Sklave nach Sizilien und als Diener nach Wien kam, dort zu Lebzeiten eine anerkannte Persönlichkeit war, dessen Körper aber posthum ebenso wie so viele seiner Schicksalsgenossen als Kuriosität ausgestellt wurde.

Im Mittelpunkt steht der körperbehinderte Tänzer Michael Turinsky, der als Soliman seine Dienerschaft mit ausgesuchter Höflichkeit mit Morgentoilette und Reisevorbereitungen in Atem hält. Denn die Parmasaner Reise mit dem Hofstaat des Fürsten von Liechtenstein ist der Ausgangspunkt, von dem aus „Soliman*Revisited“ seinen Verlauf nimmt.  Die Schauspielerin Elisabeth Prohaska rezitiert die Ausgaben die diese Unternehmung gekostet hat. Julio Lepa, Jules Lazare Mekontchou und Bert Gstettner  agieren als Diener und stellen damit die Hilfestellungen für Turinsky in einen dramaturgischen Kontext. Die eindeutige Rollenzuteilung wird im Laufe des Stückes aufgegeben, und weicht einer Szenen-Collage, die unterschiedliche Aspekte der Soliman-Geschichte beleuchten, etwa den Kampf der Tochter Josephine Soliman um die sterblichen Überreste ihres Vaters – auch hier wird aus historischen Protokollen zitiert.

Gstettner sieht in Soliman einen „Parade-Migranten“, einen, der, weil er anders ist, den Status eine Ausgegrenzten hatte – unabhängig davon, dass Soliman zu Lebzeiten eine angesehene gesellschaftlicher Stellung und Freunde aus den „besten Kreisen“ hatte, so gebildet war, dass er als Prinzenerzieher tätig war und sogar in die Freimaurerloge aufgenommen wurde.

Doch seine Haut war anders, dunkel, schwarz. Und um sie dreht sich ein Gutteil der Performance. Auf den Trikots sind dicke Hautapplikationen angebracht (Kostüme von Devi Saha), in einer Szene geht es ums Jucken und Kratzen, und auf dem Körper eines Tänzers wird die Geschichte des Soliman-Präparats mit einem Video (Ulrich Kaufmann) in eindrucksvollen Bildern nachempfunden bis es am Ende, wie das Original, von den Flammen verschlungen wird.

Gstettner und sein engagiertes Team - besonders die Leistung von Michael Turinsky als Schauspieler und Tänzer ist großartig und berührend - verkörpern mit „Soliman*Revisited“ eine persönliche Sicht auf die historische Gestalt, und setzen damit einen Kontrapunkt zur Ausstellung im Wien Museum (noch bis 29. Jänner 2012 zu sehen).

In diesem Zusammenhang mutete es eher befremdend an, dass davor Jura Wagner und Bostjan Ivanjsic in „Kalt“, einem Stück von Darrel Toulon, mit Krücken ein virtuoses Duett tanzten und Behinderungen vorspielten, um „physische und psychische Deformationen“ zu zeigen.

Eingeleitet wurde der Abend mit der Bewegungsstudio „The Hidden Dimension“ von Rose Breuss sowie der Miniatur „Le Cycle des Princes“ in der Choreografie von Bruno Genty für Harmen Tromp und sich selbst. Gentys Part tanzte aber bei der zweiten Aufführung der junge Michael Gross, dem - bei aller Fertigkeit, die er offensichtlich bereits hat – natürlich die Erfahrungen fehlen, die die beiden älteren Tänzer in diesem märchenhaften Stück thematisieren. Trotzdem: ein Stück, das man gerne in einer längeren Version sehen möchte.

OdeonTanz3, Serie III am 10. Oktober 2011 im Odeon Wien.

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