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nevskiBereits zum 15. Mal ging das beliebte Szene Bunte Wähne Tanzfestival für junges Publikum in Wien über die Bühne, auf der die ZuseherInnen selbst aktiv werden oder ein breites Spektrum persönlicher und gesellschaftlicher Themen verfolgen konnten, darunter eine berührende Vater-Sohn-Beziehung, die „schönste Sache der Welt“ oder die Suche nach der eigenen Identität.

Ives Thuwis ist in Wien als Regisseur/Choreograf von aufregenden Produktionen mit Jugendlichen in bester Erinnerung (http://www.tanz.at/kritiken/kritiken-2010-list/63-die-bunte-welt-der-jugendlichen.html). Nun hat er zusammen mit Gregory Caers und Wim de Winne die Gruppe Nevski Prospekt gegründet, die sich in ihrem ersten gemeinsamen Stück „Hop“ auf Grundlage des Ikarus-Mythos an ein Publikum ab 4 Jahren wendet. Wenn sich Ikarus (Ives Thuwis) mühsam aus seiner Kiste schält und dann in voller Größe vor seinem ebenso großen Vater (Gregory Caers) steht, kristallisiert sich die Gleichwertigkeit der beiden gleich heraus. „Papa“, flüstert Ikarus mit strahlendem Blick. Daedalus mit Berechnungen beschäftigt, wie sie von der Insel, auf der König Minos sie gefangen hält, entfliehen könnten, wendet sich besorgt-zärtlich seinem Sohn zu. Mit dieser Parabel thematisieren die beiden Darsteller ein vielschichtige Vater-Sohn-Beziehung. Der Kleine, der Aufmerksamkeit verlangt, wenn der Vater Wichtigeres zu tun hat, spiegelt sich in einer Tanzsequenz wider, in der der Vater wie ein Echo auf die Bewegungen des Sohnes reagiert und dabei seine eigene Tätigkeit weiter verfolgt. Der Spieltrieb manifestiert sich in einem köstlichen Akt der Teller- und Becherverteilung, bei dem erst nach minutenlangem Abtauschen jeder der beiden seine Essutensilien zusammenbekommt. Keine Zurückhaltung übt Ikarus, wenn sein Vater auf seinen Wunsch nach Hause zu fahren, immer nur sagt: „Das geht nicht“. Das ganze Kriegsarsenal, vom Gewehr über die Kalaschnikov bis zu mehreren Handgranaten, lässt er pantomimisch auf den Vater los. Und doch ist hier immer eine Verbundenheit, die es ihnen am Ende auch ermöglicht, den Ausweg aus ihrer Gefangenschaft zu finden – sie fliegen und auf dem vom Publikum im Vorfeld der Aufführung bemalten Prospekten fliegen kleine Puppen im Strahl einer Taschenlampe: immer höher, immer waghalsiger, immer fröhlicher. Ein bezaubernde Stunde über den Traum des Fliegens und wie man ihn trotz aller Konflikte gemeinsam bewältigen kann, könnte das einfache Résumé dieser humorvollen, witzigen und kurzweiligen Stückes heißen.

Mit ihrem interaktiven Multimedia-Tanzerlebnis „Play Please“ führt die italienische Gruppe TPO ihr junges Publikum ab 5 durch eine Entdeckungsreise von Klängen, Videobildern und visuellen Effekten, die sie als AkteurInnen selbst beeinflussen konnten. Die TänzerInnen leiten die Kinder sorgsam durch die Stationen dieses Parcours, in dem einzelne von ihnen die interaktiven Computersimulationen selbst lenken, verschiedene Laute per Handbewegung hervorrufen und Farben generieren konnten. Da sich die Ergebnisse aber nicht dramatisch, sondern subtil und mitunter auch mit einiger Verzögerung einstellten, verloren die Kleinsten nach einiger Zeit das Interesse am Spiel, während die Größeren von den Videoeffekten auf den Leinwänden noch ganz gebannt waren.

Sarah Bostoen und Hendrik Lebon alias Compagnie Monica vzw widmen sich in ihrem ersten gemeinsamen Stück „Mooi?“ für Publikum ab 6 der Frage nach Schönheit und Hässlichkeit. Offenbar teilen die beiden eine Wohnung neben einem laut ratternden Zug. Jedes Mal, wenn er vorbeirattert erbebt alles, das Inventar ebenso wie die Bewohner. Dazwischen stellen sie ihre Vorlieben vor. So packt sie etwa zu yesterday’s Schlagern ihre Schatzkiste aus, während er an der Radio-Fußballübertragung Spaß hat. Insgesamt ist aber die Beziehung der beiden zueinander ebenso unklar, wie die Intention des Stückes. Die beliebig wirkende Aneinanderreihung von Szenen ließ nicht nur die jungen Zuseher ungeduldig werden.

Inhaltlich vage blieb auch - trotz poetischer Bilder - die Eröffnungsproduktion „I see you“ der Compagnie kabinet k mit zwei Tanz-Stücken, in denen es jeweils um die verschiedenen Perspektiven dreier Generationen gehen soll: ein Kind, ein Erwachsener und ein alter Mensch treffen aufeinander.

Der „schönsten Sache der Welt“ wendet sich die schallundrauch agency für die Generation 14+ zu: Sex. „6“ ist eine erfrischend ungezwungene Produktion, in der zwei männliche und drei weibliche Performerinnen mit bestechender Offenheit ihr jeweilig „erstes Mal“ Revue passieren lassen und dabei nicht geizen mit pikanten Details. Ganz ohne Peinlichkeiten, gespickt mit Gesang, Tanz und erhellenden Anekdoten aus Literatur und Mythologie, werden auch sehr persönliche Geschichten dem Publikum anvertraut. Die Produktion wird am 17. und 18. April im Dschungel Wien wiederaufgenommen.

Das Konzept für „Reality?“ wurde im Vorjahr beim Offspring.Contest im Rahmen des Szene Bunte Wähne Tanzfestivals ausgezeichnet und konnte heuer mit dem Preisgeld realisiert werden. Anja Kolmanics und Martina Rösler beschäftigen sich in ihrer Arbeit mit „der Suche nach dem Ich“. Sie arbeiten sich aneinander ab, spielen miteinander, imitieren einander, kämpfen miteinander um einen Platz in der Welt, um ihre „Einzigartigkeit“. Die Arbeit der jungen Choreografinnen ist vielversprechend, erscheint jedoch für jugendliches Publikum (ab 13) inhaltlich ein wenig überbordend.

Szene Bunte Wähne Tanzfestival für junges Publikum 23. Februar bis 2. März 2012, Dschungel Wien und brut Wien

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