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imp ivodimchevIvo Dimchev will mit der neuen Performance „ICURE“ sich selbst und das Publikum in einem Aufwaschen heilen, an Leib und Seele. Doch er hat zu viel verlangt – von sich und dem Publikum, und schlägt sich eine Stunde lang unter seinem Wert.

Den bekannten Mätzchen Ivo Dimchevs eine Stunde lang zusehend, fällt mir eine Anekdote aus lang vergangenen Burgtheaterzeiten ein. Sie berichtet vom Schauspieler Raoul Aslan, der sich im Alter seinen Text nur noch schlecht merken konnte und auf die Nachhilfe der Souffleuse lauthals flüsterte (ein Schauspieler kann das): „Keine Details, das Stück bitte!“

Dimchev ist ein hervorragender Performer und liefert jede Menge Details, aber das Stück, das Stück bekomme ich nicht zu sehen. Klar, der Mann ist eine fraglos attraktive Frau, mit langem Blondhaar, das er gekonnt über die Schulter wirft, ein Vamp, der verführt und lockt, eine Diva, die sich gegen Ende als Zwitter (oben Frau unten Mann) entblößt und schließlich ohne Perücke ganz Mann wird. Die Lust am Verkleiden kennen wir bereits, Lili Handel lebt noch. Und auch die Blow Jobs können mich nicht mehr schockieren, abgenutzt. Bissel koitieren, Mann mit Mann, ach wie langweilig – was geht’s mich an?

Wie  der Gepard läuft. Das Bühnenbild besteht aus einem Sessel, den Dimchev mitunter besetzt, obwohl er doch den Boden, den weichen Schmuseboden, so ganz besonders lieb hat (als Heilerin will er / sie generell  nur Liebesenergie verströmen) und einem Flachbildschirm auf dem während der abgeschmackten Sexszenen für Schamhafte eine sich drehende Spirale gezeigt wird und auch ein laufender Gepard zu sehen ist. Läuft das Bild in Zeitlupe ab, wird es spannend, der Gepard hat eine eigenartige Art seinen Springlauf zu absolvieren. Biologieunterricht, der mir gefällt.

Dimchev tanzt wie ein Derwisch, gurrt wie eine Taube, singt wie ein Countertenor, kratzt am Cello wie keiner, lebt seine Lust an der Travestie aus und hat auch ein appetitliches Hinterteil. Das alles ergibt kleine, mal amüsante, mal überflüssige Details, die mich keineswegs heilen, vor allem, weil ich weder krank an Herzen noch arm am Beutel bin. Dennoch habe ich brav das Kärtchen genommen, das zu Beginn an alle ZuschauerInnen verteilt wird und auf dem unsere Heilungsbedürfnisse markiert werden sollen. Mitunter fragt die Drag Queen, ob wir auch alle brav den Finger auf den roten Punkt halten. Vergeblich. Mir scheint, niemand ist gekommen, um sich heilen zu lassen. Man will Dimchev in Aktion sehen, sich vielleicht auch ein wenig provozieren lassen und die eigenen Gefühle, angenehme oder unangenehme, spüren, ausleben, reinigen. Nichts dergleichen passiert bei „I cure“, weder Rührung noch Schauder, keine Katharsis, keine Heilung. Ich sehe leuchtende Mobiltelefone in Aktion, im Gähnen aufgesperrte Münder, selig an der Schulter des Partners schlummernde junge Frauen.

Der Applaus ist freundlich, Ivo Dimchev verneigt sich artig in langer Hose und T-Shirt. Das, was er so gerne erreichen will, das Publikum aus der amüsierten Lethargie zu rütteln, mit tief schwarzem Humor und beißendem Zynismus zu schockieren, Gefühle zu verletzten, um sie bloß zu legen, ist ihm diesmal (was mich betrifft) nicht gelungen. Man kennt  ihn bereits zu gut und lässt sich nicht mehr aus der Ruhe bringen. Ich warte auf das Stück.

Ivo Dimchev: „ICURE“, 6. August 2014 (Uraufführung am 4.8.), Casino am Schwarzenbergplatz, im Rahmen von ImPulsTanz.

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