Tanzende Bilder oder Tanz nach Bildern, so könnte man Eva-Maria Schallers Konzept und Choreografie mit wenigen Worten beschreiben. Wer oder was ist Judith in Gemälden großer Maler wie Caravaggio, Klimt oder Botticelli? War sie Freiheitskämpferin, fromme Witwe, Femme fatale oder einfach eine Verräterin? Die Antwort dieser Fragen sollen dabei die ZuschauerInnen für sich selbst finden. Die Innsbrucker Premiere rief eine besonders hohe Publikumsresonanz hervor.
Inspiriert von dem intensiven Ausdruck in Gemälden großer Maler sucht die Choreografin Judiths Identität auf eine kreative Weise. Traditionsungemäß beginnt die Konfrontation mit der Hauptfigur des Abends schon an der Eingangstür des Theatersaals, da auf diese die Gemälde projiziert werden. Man öffnet die Tür und tritt in Caravaggios Schattenlichtwelt hinein. Die Inszenierung macht Caravaggios Lichtgestaltung personifiziert erfassbar: durch verschiedene Lichtgebungen (Lichtdesign von Veronika Mayerböck) werden die heterogenen Charakterstrukturen Judiths ausgedrückt.
Diese moderne Tanzperformance überzeugte durch seinen intermedialen Zugang. Nicht nur die Grenze zwischen statischen Frauenbildern und bewegten Frauenkörpern wurde überschritten, sondern auch die zwischen bildender Kunst, Poesie, Musik und Tanz. Die Tänzerinnen sind in die musikalische Gestaltung von Ralph Mothwurf mit involviert. In diese akustische Darstellung verschmelzen auch Texte von Verena Dürr.
Beeindruckend ist die Bühnenpräsenz und körperliche Darstellung der Gemälde, wobei bewusst wird, dass diese nur Momentaufnahmen einer größeren Szene sind, in der die szenischen Bewegungen wiederum aus Bildfolgen zusammengesetzt sind. Die extreme Körperspannung und –kontrolle und die intensive Mimik der Performerinnen (Martina Rösler, Emmy Steiner, Gina Battistich, Regina Picker, Bianca Figl, Eva-Maria Schaller) suggerieren lebendig vertanzte Gemälde.
Eva-Maria Schaller „Judith“ am 24. November 2016 im Freien Theater Innsbruck