Zum 3.Mal in Folge seit 2016 fand in Graz dieses kleine, feine Festival statt, initiiert und kuratiert von der in Graz lebenden italienischen Tänzerin/Choreographin Valentina Moar. Alles begann mit sechs europäischen Filmen, im zweiten Jahr wurden bereits 17 internationale Tanz-Filme präsentiert und ein Best-Of Preis vergeben, heuer kamen an zwei Tagen jeweils 17 Tanz-Kurzfilme aus aller Welt zur Aufführung.
80 Filme waren es, die bei der internationalen Ausschreibung eingereicht wurden; es handelt sich beim video-dance, cine-dance oder screen-dance, wie dieses eigenständige Genre auch genannt wird, also um eine durchaus lebendige, seit den 60er Jahren bestehende Kunstgattung. Allein in Österreich ist sie – wiewohl heuer einer der gezeigten Filme, „Competing for Sunlight: ASH“ von Dagmar Dachauer, aus diesem Land kommt – immer noch weitgehend unbekannt und wird, wenn als „Tanzfilm“ erwähnt, gerne mit filmischer Tanz-Dokumentation verwechselt.
Was aber dieses Genre, für das es noch keine Schule oder beispielgebendes Repertoire gibt, ausmacht, ist sein für die Kamera entwickelte und nur durch diese in der Darstellung ermöglichte tänzerische Kreation. Das „formende“ Kamera-Auge (und so manch dahinterstehende Technik) ist also gleichwertig mit dem Tänzer, ist kreatives Subjekt, Künstler.
Das in Österreich einzigartige Festival soll also in Vorreiterrolle von Graz aus dieses Genre im Land publik machen. Entsprechend lag bei der Filmauswahl neben Qualität auch ein Schwerpunkt auf dem, was die Vielfalt der hierbei künstlerisch gegebenen Möglichkeiten ausmacht. Dass die Grenze zur Tanz-Dokumentation hie und da fließend ist, wurde derart anhand einiger Beispiele bewusst, dass sie aber auch eindeutig überschritten wurde, zeigte sich etwa beim (einzigen) österreichischen Film (leider) sehr klar.
Als Gegenbeispiel, nämlich für hohe, sensible Kamerakunst, ist hier der britische Beitrag „US“ von Jordan James Bridge zu nennen, wobei die Tänzer Lisa Rowley und Remima Brown neben dem wunderbaren Director of Photography, Ray Moody, ihre gleichwertigen Beiträge leisten. In prägnanter fotografischer wie inhaltlicher Eigenwilligkeit hervorstechend der italienische Film Michele Manzinis: „In the House of Mantegna“. Tief berührend der aus der USA stammende Film César Brodermanns: „Are You Holding Me or am I Holding Myself;eine emotionale Welt, die sich hier feinschichtig differenziert in nur 11‘47‘‘ auftut.
In Anerkennung der angestrebten und auch geleisteten Vielfalt des Gezeigten seien die zwei aus der Schweiz stammende Audio-Scripts „Amauros 1 und 3“ von Nicole Seier angeführt.: Zweifellos leisten sie für Menschen mit Sehbehinderung Wesentliches; außerdem sind sie faszinierende Dokumente des Potentials von Sprache. Das, was die Kunst des Tanzes ausmacht, ersetzten sie deswegen aber noch lange nicht und somit auch nicht die künstlerische Komponente eines Tanzfilmes. Und das ist gut so, denn wenn Sprache Tanz ersetzten könnte, bräuchte es keinen Tanz.
Ein „Intermezzo“ der amüsanten Art stellt der ungarische Film „TWUN“ von Viktor Horváth dar; ein dokumentarischer Spaß zum Thema Frauenschuh; eine Art „leichtfüßig-witzige“, gut arrangierte Entspannung.
Nicht von dramatischer Tiefe, aber sehr wohl und umso mehr von filmisch-künstlerischem Können und inhaltlicher Aussage zum weiten Thema Tanz getragen: der grandios geschnittene Eröffnungsfilm „Exquisite Corps“ von Mitchell Rose, der gleichermaßen in seiner ungebrochenen Dynamik fasziniert wie über die Vielfalt des Tänzerischen informiert: Ein visuelles Vergnügen im besten Sinne.
Nicht uninteressant, vor allem in Bezug auf die filmisch-technischen Möglichkeiten, inhaltlich aber mit Leerstellen, der australisch/japanische Beitrag „Botchan Retreat“ von Nathan Smith und Max Polard. Vll filmpoetischer Tanzkraft „Le stanze della folla“ von G. Bigoli & F. Ruggerini. Dafür, dass mächtige Landschaft und ein urig sich bewegender Einwohner allein noch keinen Tanz-Film in auch nur irgendeinem Sinne macht, steht die nordische Produktion „Black Side“. In krassem Gegensatz etwa zur feinen Stärke der kleinen Gesten im britischen Film „Porcellain“ von Roswitha Chesher.
Dass der erstmals vergebene Publikumspreis in gleichem Maß an den australischen Beitrag „Gogi“ von Viviane Frehner, an ein tänzerisch wie filmtechnisch hochwertiges und kreatives Tanz-Filmwerk, und an einen ungarischen Beitrag, an “Mourning“ von Réka Szabó, der ein mustergültiges Beispiel für kreativ-absurde Kunst des Emotionalen darstellt, vergeben wurde, ist überaus berechtigt.
Ebenso wie die Vergabe des Dance on Screen 2018 der international besetzten 3er-Jury an den italienischen Film „Intangout“ von Vito Alfarano: Einscreen-dance im erstrebenswerten Sinn, wie er also tatsächlich nur dank dieser neuen Kunstform geboten werden kann; ein filmtechnisch überzeugendes Beispiel für Aufnahmekunst und ein inhaltlich vielschichtiges wie berührend tiefgreifendes Exempel für das, was an qualitativer Bandbreite, dargeboten von Laien, möglich ist.
Dance on Screen Festival, 9. und. 11.November 2018 im Rechbauerkino Graz