Die Post geht ab in Stephanie Felbers neuer Installations-Performance „(In)Security“, in der sie mit dem Phänomen vielschichtiger Verunsicherung und Vertrauen spielt. Für das technisch höchst aufwendige, alle Sinne beanspruchende Rundumerlebnis haben sich ihre fünf Interpreten in zwei Probeläufen schon mal vorab warmgespielt – unter realen Publikumsbedingungen.
Ohne diese kommt das Stück der freien Choreografin, die immer wieder intermediale Schnittstellen und hautnahe Konfliktsituationen zwischen Tänzern und Zuschauern unter die Lupe nimmt, gar nicht aus.
Die Vermengung von aktiver und inaktiver Teilhabe am Geschehensverlauf beginnt bei der Uraufführung am 11. Oktober im Münchner Schwere Reiter bereits im Foyer. Vier Freiwillige bekommen medizinische Sensormessgeräte angelegt. Ihr Puls, ihre Haut- bzw. Muskelspannung und Atmung werden die folgenden 70 Minuten Sound und Licht im Bühnenraum mitsteuern. Dort werden in zwei abgeschotteten Kabäuschen mit Hilfe von Kameras und Computern Aktions- und Reaktionsketten ausbaldowert.
Dass man niemals weiß, was einen tatsächlich erwartet, zählt zu den Anreizfaktoren, sich einfach durchs Ambiente treiben zu lassen. Und im Gegensatz zu Felbers letzter Münchner Arbeit „vague de corps“ – einer sich gruppendynamisch radikal zuspitzenden Studie über Macht- und Entmachtungsformen – bleibt man dabei in seinen persönlichen Entscheidungen weitgehend frei. So kann man sich formierende und zerfallende Bewegungsskulpturen aus verschiedensten Blickwinkeln verfolgen. Indem zwei umgekippte Säulen als Bänke genutzt werden, darf man selbst ganz zur Ruhe kommen.
Wenn man die Spielfläche der außen derzeit mit Lärmschutzwänden gegen den zirzensischen Roncalli-Trubel abgeschirmten Halle betritt, wähnt man sich in einem nächtlichen Museum. Auf mehreren Stehlen sind wundersame Objekte ausgestellt. Nicht nur wer haptisch neugierig ist, begreift bald das Funktionieren der ungewöhnlichen Klangkörper. Andernorts glotzen Bildschirme in die Weite. Mit Sensoren versehene Fenster zurück ins Foyer, live in den Saal oder lebensinterne Spannungsverhältnisse. Ein sinnlicher, bis zuletzt nicht aufzuschlüsselnder Overflow, konstruiert rund um Felbers aktuelles Thema: Sicherheit.
Die Zuschauer flanieren nicht lange allein unter sich. Plötzlich klebt hier ein befremdlich gekrümmter Körper, schleudert sich dort ein zweiter meterweit über den Boden. Verängstigte Nachtschattengeschöpfe in schwarzen Trikots mit leuchtenden Strichmarkierungen, die vorerst verschüchtert jeden Blickkontakt meiden. Später schubbern sie sich nett an den Besuchern oder lassen Handkanten und Beine urplötzlich haarscharf an deren Gesichtern vorbeizischen. Entscheidend dabei ist, welche Art von Publikum in einer Vorstellung aufeinandertrifft. Gut oder schlecht drauf, defensiv, aggressiv, phlegmatisch oder mitbestimmend – Felbers Team muss für viele Eventualitäten gerüstet sein. Und die Zuschauer? Sie entdecken in der Ecke eine unscheinbare, stets bewachte Garage. Kurios. Doch schließlich geht es ums Ausloten von Wohlbefinden und Unbehagen. In jeder Konstellation etwas überaus Persönliches. Und genau das ist in der Kunst immer gut.
München: „(In)Security“ von Stephanie Felber am 11. und 12. Oktober 2019 im Schwere Reiter, München