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DadaMasilo65Mit ihren ganz eigenen Versionen von Ballett-Klassikern tanzte und choreografierte sich die 1985 in Soweto geborene Südafrikanerin Dada Masilo sehr schnell in die Topliga zeitgenössischen Tanzschaffens. „Romeo and Juliet“ (2008), „Carmen“ (2009), „Swan Lake“ (2010) und „Giselle“ (2017) tourten und begeisterten inzwischen weltweit. Mit der Uraufführung ihres neuesten Stückes „The Sacrifice“, für das sie sich von Igor Strawinskys „The Rite of Spring“ inspirieren ließ, ist sie nun erneut zu Gast bei ImPulsTanz.

Bei seiner Uraufführung 1913 wegen ihrer rhythmischen und klanglichen Strukturen noch ein Skandal, wurde die Ballett-Musik „Das Frühlingsopfer“ zur inspiratorischen Quelle für inzwischen weit über 40 Bearbeitungen des Stoffes, mehr oder weniger nah an der Story des Originals in der Choreografie von Vaslav Nijinski.  DadaMasilo82

Dada Masilo nun stellt drei Musiker (Perkussion und Gesang, Geige und Gesang, Keyboards) und die Sängerin Ann Masina rechts vorn auf die Bühne. Ihre eigenen Kompositionen live musizierend, verlegen sie die Handlung musikalisch an das südliche Ende Afrikas. Die in Südafrika beheimateten zwölf Sprachen und Kulturen mischen sich in Gesang und Komposition. Strawinskys  rhythmische Finessen, wie eine 5er Metrik zum Beispiel, und seine markanten horizontalen Strukturen, die eindringlichen Bass-Linien stampfen sich jedem ins Gedächtnis, verarbeiten die drei Musiker zu einer afro-jazzigen Melange mit auch sehr melodiösen, einfach nur schönen Parts. 

Mit einem großen weißen Ei in den Händen erscheint die erste der elf Tänzer*innen auf der leeren Bühne. Sie streichelt das Ei, schützt, verehrt es. Am Anbeginn der Schöpfung war es noch still. Auf die Rückwand wird laubloses Astwerk in schwarz-weiß projiziert. Anfang und Ende in Einem. Die Zweite, die erscheint, ist Ann Masina. Außergewöhnlich beleibt, melodisch summend, trägt sie eine Vase auf dem Kopf. Sie wird zum Gefäß für so Vieles. 

DadaMasilo85Masilos Adaption orientiert sich weitgehend am Original, sie verlegt die Handlung jedoch aus dem heidnischen Russland nach Afrika und konzentriert die Elemente. Die Kombination aus afrikanischem und zeitgenössischem Tanz, die ihren Werken ihre große Lebendigkeit geben, wird auch hier zu einer mitreißenden Feier des Lebens einerseits und zum Quell tiefer Gefühle. Die Auswahl des Opfers, das (noch) freudvoll diese Wahl annimmt, geht über in von Männern ausgetragene Stammesfehden. Die Projektion zoomt sich kaum merklich ins Geäst. Humorige Einwürfe, eine Frau beklagt das zu hohe Tempo der Musik, weil sie doch sich selbst fühlen will, verhindern das Einbrechen des Dunklen nicht. Das Spielerische im Einsatz von Bewegung, Klatschen, Geschrei und Sprache nimmt Schwere aus der Handlung. Schnell wechselt die Dynamik, abrupt brechen feurige Gruppentänze ab, um kurze ruhige Passagen folgen zu lassen, expressive Soli und Duette streut sie in den Fluss der Choreografie. In einem der Duette zwischen dem Opfer und einem, vielleicht ihrem Mann, tanzen sie ihre Achtung voreinander, ihren Respekt und die Liebe zwischen ihnen auf ungemein gefühlvolle Weise. DadaMasilo98

Das Finale dreht Dada Masilo um. Das Opfer tanzt sich nicht zu Tode. Die aufkeimenden Zweifel und Ängste in einem starken Solo beschreibend, wird die junge, sich sanft widersetzende Frau schließlich von ihrer eigenen Mutter geopfert. Mit langstieligen Zantedeschien, den weißen „Totenblumen“ auf den Händen erscheinen die anderen Zehn und legen dieses Zeichen der Unsterblichkeit vor sich ab. Die Mutter, Ann Masina, singt in klassischer Manier eine ergreifende Klage in Zulu. „Hier stehe ich und opfere meine Tochter“. Viele Male wiederholt sie den Oktav-Sprung, immer tiefer bohrt sich ihre Klage ins Herz.  

Neben der tänzerischen Meisterschaft der in Johannesburg beheimateten Kompanie beeindruckt vor allem die Emotionalität und Ausdruckskraft jedes einzelnen Ensemblemitgliedes (Dada Masilo stand wegen einer Verletzung nicht selbst auf der Bühne). Was da an Lebensfreude, Aggression und Wut, Wehmut und Schmerz, Trauer und Verzweiflung, an Authentizität von der Bühne strahlt, ist selten zu sehen. Und das hat das Publikum bejubelt.

Dada Masilo / The Dance Factory: „The Sacrifice“ am 28. Juli 2021 im Wiener Volkstheater im Rahmen von Impulstanz. Weitere Vorstellungen am 29., 30. und 31. Juli.

 

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