Zirkuswelten liegen zwischen den beiden Clown-Produktionen. Kleine, aber markante, denn es.sind nicht wenige Jahrzehnte, die ihre Art und Aufbereitung zirzensischer Kunst trennt. Kleine, weil jede ihren ganz besonderen, überzeugenden Charme hat. Markante, weil in ersterer die Faszination in der Form, in der Technik der Kunst verankert ist, während in zweiterer Inhaltliches eine zusätzliche, tiefe Bedeutung hat.
Kleines Gestentheater
Bezaubernd ist die Welt, in die Laurent Cabrol und Elsa de Witte als Bêtes de foire ihr Publikum in „Petit théâtre de gestes“ tauchen lässt; in eine schummrig entrückte, geheimnisvolle Ferne, wo das Kleine und wenig Beachtete noch große Bedeutung hat.
Nichts wird als selbstverständlich präsentiert: Die Beleuchtung wird mittels Seilzugs händisch „eingestellt“; die Klangkulisse – wenn eine solche den beiden Artisten überhaupt als notwendig erscheint – wird selbst „erzeugt“: von der damenhaft eleganten, gestrengen Kostümbildnerin mittels ihrer Schere oder der Nähmaschine, vom aus der Zeit gefallenen, tollpatschig-gottergebene Clown etwa mittels seiner Jonglierbälle. Bälle, mit denen er immer wieder bisher unbekannte Flug-, Fall- und Sprungwelten zu entdecken vermag; der dabei gleichzeitig wahrscheinlich durchbrochene Geschwindigkeitsrekord ist seiner zwischen kindlichem Ernst und folgsamer Bescheidenheit changierenden Miene selbstverständlich nicht weiter anzumerken. Und was er aus, also mit seinen Hüten zaubert, ist in seiner genialen Schlichtheit selbstredend verzaubernd.
Noch einen Schritt weiter zurück auf der Zeitachse gehen sie bei der Handhabung ihrer mechanischen Marionetten, die jeden und jede im Publikum endgültig in einer Märchen-Kinderwelt staunend versinken lässt oder aber – konträr zur üblichen Verweigerung – zumindest gedanklich zum Mittanzen veranlasst, wenn die Kostümbildnerin einen Mantel überzieht und so zu einem tanzenden Paar mutiert – ja! Aber (nicht nur) das muss man einfach selbst gesehen haben.
Anatoli Akerman und Christoph Schiele
Zum Nachdenken anregend ist - bei allem auch eher traditionell Spaßigem - die Gefühlswelt, in die der international erfolgreicher Star-Clown Anatoli Akerman und der künstlerisch breit aufgestellte Clown, Physical Comedian und Künstler des Nouveau Cirque Christoph Schiele in der neuen Version ihres Stückes „KuKu“ zu entführen vermögen.
Sie tun es zumeist mit einem klugen Mix aus Witz, Schalk und trauriger Ernsthaftigkeit, niederschwellig angeboten in zum Teil wohlbekannten clownesken Bildern rund um ein Bett und eine Kuckucksuhr; immer wieder kaum merkbar, geradezu indirekt und feinfühlig eine Erkenntnis anregend, ein kleines Geheimnis lüftend. So manches Mal geschieht dies auch mit absurden szenischen Darstellungen oder aber intellektuell Untermauertem. Mit diesem inhaltlichen Repertoire, das im Grunde ‚lediglich‘ aus dem allseits gut bekannten Alltag schöpft, und mit ihrer fundierten Darstellungs-Technik, mit ihrem artistischen Können, bei dem insbesondere Akerman kaum jemand die Hand reichen kann, erreichen sie fast jeden und erreichen sie Tiefen. Sie zeigen manch Verdecktes im Kleinen, wobei der Zuseher letztlich nicht wenig gefordert ist in seiner Rezeptions- und Interpretationsfähigkeit.
Allein all das, was in der Geburtstagsszene, die zwischen selbst überbrachter Torte, einsamem Auspacken des sich selbst Geschenktem und des doch noch tatsächlichen Beschenkt-Werdens steckt, könnte einen Abend füllen.
Zusätzlich bemerkenswert, dass sich dieser Szenenreigen einer emotionsreichen Beziehung um eine enge Männerfreundschaft dreht. Beflügelnd das glückliche Ende – auch wenn dabei kaum einer auch nur ansatzweise mit den damit ‚strenggenommen‘ einhergehenden Armbewegungen denen von Akerman nahekommt: Man verlässt ein wenig leichtfüßiger den Ort des Geschehens.
Theater Zitadelle mit Folge 2 der Bremer Stadtmusikanten
Dass es ein Wiedersehen mit Theater Zitadelle geben würde, war für so manchen La Strada Fan eine willkommene Nachricht, denn „Die Berliner Stadtmusikanten“ haben sich in nicht wenige Grazer Herzen gespielt.
Dass die Fortsetzung einer erfolgreichen Produktion so manches Mal enttäuschend ist, ist Tatsache. Dass in „Die Berliner Stadtmusikanten II – Sag mal geht’s noch?“, in dem im bekannten Setting nunmehr ein neuer Plot rund um einen begehrten Diamanten aufgerollt wird, ebendieser vergleichsweise weniger Griffigkeit aufweist als der im ersten Teil, ist meine Beurteilung. Dass aber die Produktion insgesamt nichts von ihrem speziellen Reiz, ihrem herzerwärmenden, humorvollen Unterhaltungswert der besten Art verloren hat, das ist eine andere (objektive) Tatsache.
Schon der hier erlebbare nahtlose Bühneneinsatz von Handpuppen und Puppenspielern ist, neben anderen desillusionierenden Einstreuungen von unvergesslicher Faszination: Warum nur funktioniert dieser Rollentausch ohne Illusionsbruch beim Zuseher? Es muss an den beiden großartigen Puppenspielern Regina und Daniel Wagner liegen, dass sie gleichermaßen als solche wie als kurzzeitige Rollen-Darsteller derart glaubhaft sind. Nichts schuldig bleiben sie aber auch, was den Wortwitz anbelangt: Wenn der Spatz schon wieder nicht aus den Federn kommt, Frau Kuh einen weiteren ihrer Kuhlauer zum Besten gibt, das Kaninchen von seiner Zeit als Tester im Zylinder des Zauberers erzählt und in letzter Verzweiflung Frau Katz ein Katerunser betet. Nein, zum Beten gab es für die Zuseher keinen Grund, hatte doch selbst der unmittelbar vor Vorstellungsbeginn einsetzende Regen nach wenigen Minuten aufgehört.
La Strada: Bêtes de foire „Petit théâtre de gestes“ am 1. August im Zelt im Oeverseepark; Anatoli Akerman „KuKu“ am 2. August im Orpheum Graz; Theater Zitadelle „Die Berliner Stadtmusikanten II – Sag mal geht’s noch?“ am 3. August im Lesliehof im Joanneumsviertel