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Gaga OhadSeit „Mr. Gaga“, dem sehr persönlichen Filmportrait über Ohad Naharin, wird dessen Tanzsprache Gaga immer populärer. Auch hierzulande kann man sich durch seine Methode immer öfter bewegen lassen – nach vielen Angeboten im Sommer gibt es Gaga ab September regelmäßig jedes erste Wochenende im Monat in Wien mit wechselnden Lehrern. In der Saison 2018/19 wird unter der Leitung von Shahar Binyamini ein Community Dance Projekt erarbeitet.

Auch wenn der Name an einen Popstar erinnert und "gaga" in der englischen Umgangssprache einen nicht ganz zurechnungsfähigen Geisteszustand beschreibt, so steckt bei Ohad Naharin dahinter eine sorgfältig entwickelte Methode, die auf seiner Erfahrung als Tänzer zurückgeht. Ausgangspunkt war eine Rückenverletzung, die der Choreograf und Leiter der israelischen Batsheva Dance Company in seinen 20er Jahren erlitt. Als die Schmerzen immer größer wurden und das Aus für das Tanzen näher kam, begann er im Studio zu improvisieren und sich mit sanften, wellenartigen Bewegungen der Wirbelsäule selbst zu heilen. Als er diesen Bewegungsansatz auf seine Tänzer anwandte, veränderte er auch seinen choreografischen Zugang.

„Gaga entstand aus der Notwendigkeit, mit den Leuten, mit denen ich arbeite zu kommunizieren – ich musste auf ihre und meinen Körper aufpassen. Gaga wurde zu etwas, das wirklich abbildet, wie und warum wir tanzen. Und das hat viel mit dem Überschreiten der gewohnten Grenzen zu tun: Wir hätten das ohne Gaga oder die Werkzeugkiste, die Gaga bietet, nicht erreichen können. Ich nenne Gaga  nicht eine Technik, sondern eine Sprache, die sich entwickelt … Es geht nicht um Stile. Einige Tanzcodes limitieren dich, weil sie dich in einen Stil einsperren. Die Idee von Gaga hingegen ist, dass es aussieht, als hättest du keinen Stil“, erklärte Ohad Naharin in einem Interview.Gaga MelanieSorin

Nachdem er Gaga mit den TänzerInnen seiner Batsheva Dance Company in Tel Aviv erprobt hatte, bot er sie in einem weiteren Schritt auch für Menschen unabhängig von ihren körperlichen Fähigkeiten an: Während bei Gaga/Dancers das Prinzip als Tool zur tänzerischen Erforschung angewandt wird, bewegt sich bei Gaga/People jeder nach seinen eigenen Möglichkeiten. Angeleitet dürfen Gaga-Klassen nur von TänzerInnen werden, die eng mit Ohad Naharin zusammengearbeitet haben.

Gaga/People trainiert den Körper durch kreativen Tanz. Eine Stunde lang bleibt man nach den Anweisungen des Leiters in Bewegung ohne zu stoppen. Der Fokus liegt ganz auf der Aufmerksamkeit für die Bewegung, man hört auf seinen Körper. Dabei wird nicht gesprochen. Gaga-Stunden beginnen und enden pünktlich. Wer zu spät kommt muss draußen bleiben. Und das sind auch schon die Regeln, die es zu beachten gibt.

Gaga ist also eine einfache, aber umso wirksamere Trainingsmethode. Als freier Tanz ist Gaga durchaus mit den unter dem Begriff Conscious Dance zusammengefassten Methoden (wie 5Rhythms, Biodanza oder Open Floor) vergleichbar, unterscheidet sich jedoch darin, dass es die psychologische Ebene nicht thematisiert.

Die leitende Tänzerin bewegt sich mit der Gruppe und gibt verbale Anweisungen über die Art der Bewegung, die, vom Zentrum ausgehend, nach und nach den ganzen Körper erfasst. Auch bei Gaga/People werden die TeilnehmerInnen sanft aus ihrer Komfortzone gelockt um ihre Grenzen zu erweitern.

Gaga MirjamEine, die sich seit einigen Jahren intensiv mit Gaga auseinandersetzt hat, ist die in Gmunden ansässige Tänzerin und Tanzpädagogin Linda Tinsobin. Nachdem sie an einer Reihe von Workshops in verschiedenen Orten in Europa teilgenommen hatte, war sie eine der ersten, die Gaga-Training in Österreich angeboten hat. Die persönliche Erfahrung hat sie überzeugt: in kürzester Zeit hat sie wieder die Dehnbarkeit erreicht, die sich nach der Geburt ihres zweiten Kindes stark reduziert hatte. Seither lädt sie Gaga-Lehrer immer wieder in ihr Tanzstudio in Gmunden am Traunsee ein.

„Gaga hat mir einen Reichtum an neuen Bewegungsformen geschenkt. Und jedes Mal wieder entdecke ich Neues“, sagt sie An den von ihr organisierten Trainingseinheiten nehmen Profitänzer und Amateure teil, denn „ganz besonders mag ich auch, dass eben alle gemeinsam trainieren, dadurch entsteht eine bereichernde Vielfalt - jeder lernt von jedem, denn jeder ist Spiegel, und Bewegung kopieren ist erlaubt. Es gibt kein Verkehrt in diesem Raum, sondern nur Einzigartigkeit in 1000 Variationen … Es öffnet alle Sinne und diese Wahrnehmung trägt sich weiter, aus dem Studio hinaus ins Leben.“

Auch für ihren Unterricht hat sich durch Gaga einiges verändert: „Schon bevor ich Gaga kannte änderte ich viele Strukturen in meinen Ballettunterrichtsstunden auf der Suche nach einer für Körper und Geist gesunderen Entwicklung. Seit ich Gaga kenne, gibt es in meinem Unterricht keine Spiegel mehr. Die Selbstwahrnehmung meiner SchülerInnen hat sich seither enorm verbessert. Sie fühlen den Tanz durch und durch.“

Ab dem Herbst 2018 organisiert Linda jedes erste Wochenende im Monat Workshops in Österreich, meistens in Wien, einige Male auch in Gmunden.

Gaga ShaharIm Festspielhaus St. Pölten gibt es in der kommenden Saison die Möglichkeit im Community Dance Projekt unter der Leitung von Shahar Binyamini auf eine Bühnenaufführung hinzuarbeiten. Als Artist in Residence der Saison 2018/19 wird der Tänzer der Batsheva Dance Company bis 2013 in regelmäßigen Abständen nach Niederösterreich kommen, um Gaga/people Klassen für Tanzbegeisterte abzuhalten und Naharins Bewegungssprache zu vermitteln. Ab Herbst sind sowohl Amateure jeden Alters als auch junge professionelle Tanzschaffende dazu eingeladen, gemeinsam mit Binyamini die Weltpremiere eines Gaga-Abends am 18. Mai 2019 zu erarbeiten.

Nähere Infos über

die von Linda Tinsobin organisierten Workshops (in Kooperation mit tanz.at) gibt es hier.

das Community Dance Projekt im Festspielhaus St. Pölten

Dieser Artikel wurde in verändertere Form am 14. Mai in Hinblick auf die Sommerevents 2018 publiziert.

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