Doris Stelzer untersucht die Repräsentation männlicher Körper. Wie wird der Mann von der Werbung, der bildenden Kunst, dem Kino inszeniert? Wie inszeniert er sich selbst? In „views in process“ geben die Tänzer Josep Caballero Garcia und Ondrej Vidlár mögliche Antworten und schärfen den Blicke auf den männlichen Körper, der, so wie Stelzer inszeniert hat, bekannte Bilder zeigt und zugleich neue Blickwinkel eröffnet.
Sie stehen da wie gemalt. Zwei Männer im Lumberjack mit Turnschuhen, den Po leicht nach hinten gedrückt, Hände in den Seitentaschen, ein Fuß locker vorgestellt. Josep Caballero Garcia und Ondrej Vidlár machen Reklame für eine Zigarettenmarke, oder ein Rasierwasser oder für sich selbst. So sehen Männer aus, kantig, schlank, in Positur geworfen.
Sie stehen lange so auf der Hinterbühne des Festspielhauses St. Pölten, dann endlich kommt Bewegung in die beiden. Nicht viel allerdings. Zuerst setzen sie sich, die Hände lässig auf den Oberschenkeln, auf die bereit gestellten Sesseln. Immer wieder erhebt sich einer und posiert, grimassiert, bläht den Bauch, zieht ihn ein, bis sich der Brustkorb wölbt, dann schließen sich die Rippen wieder, die Muskulatur zuckt und vibriert, die Mundwinkel senken sich, die Stirn wird gerunzelt, die Halsmuskulatur strafft sich, Caballero Garcia zeigt sein Profil. Ondrej Vidlár erhebt sich ebenfalls, lässt die Hose bis an die Schamgrenze rutschen, wirft sich in Kampfposition und ich kann das Kichern nur schlecht zurückhalten.
Die Namen der beiden Künstler lassen es ahnen, der eine kommt aus Spanien, der andere aus der tschechischen Republik und unterschiedlich wie ihre Herkunft sind auch die Körperbilder, die sie präsentieren. Schon diese beiden Performer machen klar, dass es Männern, was das mediale Bild ihres Körpers angeht, nicht viel anders geht als Frauen. Den Normkörper gibt es nicht, aber alle Abweichungen von den öffentlich inszenierten Bildern, werden als Manko empfunden. Der griechische Faustkämpfer, Herkules mit seiner Keule, der Malboro-Man, das sind die Mannsbilder, die gefallen. Das sind die männlichen Bilder, die mir in der Realität nur selten begegnen.
Mit unendlicher Geduld und Langsamkeit bewegen die Tänzer, meist am Boden festgewurzelt stehend, ihre Muskeln, Sehnen und Fasern und zeigen mit winzigsten Bewegungen, wie sich das Bild wandelt. Der verdeckten Witz in dieser Langsamkeit macht es mir leicht, mich auf die sich in winzigen Details verändernden Körperbilder einzulassen und der männlichen Muskel-Performance mit großem Vergnügen zu folgen. Wobei ich anmerken muss, dass eine dramaturgische Straffung dieses feinen, minimalistischen, gedoppelten Körperpanoramas dieses noch um einige Prozent erhöht hätte.
Doris Stelzer: "views in process", Österreich TANZT im Festspielhaus St. Pölten, 26. Mai 2010