Verwirrung der Gefühle in der Mittsommernacht. Die Hormone machen hitzig und das Begehren ungeduldig. Lysander und Demetrius lieben Hermia, doch diese will nur den Einen, Lysander. Demetrius geht leer aus, was der blonden Helena nichts nützt, auch wenn sie sich ihm an den Hals wirft.
Da mischt sich der boshafte Waldgeist Puck ein und möchte mit dem Saft seiner Zauberblume wie Gott Amor für klare Verhältnisse sorgen und bringt die Liebesgeschichten erst recht durcheinander. Seine Königin, Titania, erglüht für einen Esel und vergisst darüber ganz den holden Knaben, den ihr der Gemahl streitig machen will. Doch endlich wird dem Elfenkönig die Sexorgie doch zu hitzig. Puck muss den Irrungen und Wirrungen ein Ende bereiten. Die Paare erwachen aus den erotischen Träumen einer Sommernacht und schreiten würdig zur Hochzeit. Die Welt ist wieder in Ordnung.
Shakespeare, der Dichter, hat das so gewollt. Ein gewagtes Spiel von Liebe und Leidenschaft, Zufall und Ordnung, Autorität und Freiheit, Traum und Wirklichkeit.
Jorma Elo, der Choreograf, hat das nicht gewollt.
Kein loderndes Begehren, keine Eifersucht und kein Streit, keine Rätsel keine Brüche. Die verwickelte Geschichte ist sterilisiert, die Liebe keimfrei. Vergeblich versucht da der stetig zunehmende Mond die Geheimnisse zu wahren, gegen die glitzernden Leuchtkäfer (ElevInnen der Ballettschule) und die unmotiviert ab- und aufschwebenden Schimmerlichter kommt er nicht. Er bleibt genau so beziehungslos am Bühnenhimmel hängen, wie sich die Paare unten auf dem Boden bewegen. Und dauernd zappeln die Glühwürmchen.
An den Solistinnen (Irina Tsymbal, Titania; Maria Yakovleva, Hermia; Marie-Claire D'Lyse, Helena) und Solisten (Kirill Kourlaev, Oberon; Roman Lazik, Lysander, Shane A. Wuerthner, Demetrius) liegt es nicht, dass dieser Sommernachtstraum so kalt lässt. Auch nicht am Corps, das munter wie die Solisten die Beine hebt und grätscht, die Arme schwenkt und kreuzt. Und natürlich liegt es auch nicht an Puck, der springt und turnt und sich für die Unordnung, die er durch seine nahezu teuflischen Umtriebe anrichtet sogar ein wenig schämt. Denys Cherevychko scheint seinen Shakespeare gelesen zu haben und legt sich selbst noble Zurückhaltung auf, verzichtet zugunsten einer charakterisierten Figur auf jegliche Mätzchen. Natürlich hat Choreograf Elo seine Aufgaben auch gemacht und so folgt er dem Theaterstück Szene für Szene und ersetzt den Text durch ausufernde platte Pantome. Leicht ist es an den gestreckten Arme und zum Schrei geformten Mündern, an den weisenden Zeigefinger und geschüttelten Köpfe die entsprechenden Zeilen des Dichters zu erkennen. Doch wo flammende Begierde und glühende Eifersucht herrschen soll, dominiert fröhlicher Klamauk. Und schon wieder zappeln die Glitzerkäfer herum.
Wirklich ärgerlich aber ist an dieser glanzvollen Parade, dass Elo mit der Musik nichts anfangen kann. Gut, Felix Mendelssohn-Bartholdys Musik zum „Sommernachtstraum“ ist keine Ballettmusik, sondern als „Schauspielmusik“ erdacht, doch dass dazu getanzt werden kann, hat in den vergangenen 150 Jahren eine lange Reihe von Choreografen bewiesen. Weil sich jedoch Elo so sklavisch an den Szenenfolge hält, kommt er mit der „Sommernachtstraum-Musik“ Mendelssohns nicht aus und muss noch andere Werke hinzufügen: Die Ouvertüre „Ruy Blas“, zu einem Theaterstück von Victor Hugo geschrieben, eingestreut auch die vier Sätze der „italienischen Symphonie“ samt zwei Sätzen aus dem Violinkonzert, die sich zwischen den Hochzeitsmarsch und das Finale der so fein komponierten „Sommernachtstraum“-Musik schieben. Nicht nur in der Musik verzichtet Elo auf Kontraste. Brav setzt der Choreograf auf jeden Takt, ja auf jede Note eine Bewegung und wenn nicht gesprungen, getrippelt und gedreht wird, dann wenigstens mit dem Kopf gewackelt oder mit den Händen geflattert. Die Musik (wie üblich ohne viel Rücksicht auf das Bühnengeschehen von Michael Halász abgehandelt) ist nicht Begleiterin des Tanzes, weder gleichberechtigtes Element noch unterstützendes Beiwerk, sondern lediglich eine Vorlage, die wie die Dichtung von der Choreografie illustriert wird. Sogar der Text des Elfenchores wird gestisch akribisch bebildert. So sind die drei Welten (Magisches Feenreich, Athener Königshof und Handwerker) zwischen denen sich Puck bewegt, weder musikalisch noch choreografisch getrennt und das Geschehen schleppt sich als ungewürzter Brei, ohne Höhepunkte, bis zum dreifachen Ende. Und wieder trippeln die Leuchtelfchen.
Leicht konsumierbar ist diese sich dehnende Sommernacht schon und eine blinkende Show im Mondenschein auch. Mehr aber nicht und schon gar nicht romantisch oder geheimnisvoll. Elo hat jede Chance, den handelnden Personen ein Profil zu geben, sie miteinander in Beziehung zu setzen, vertan und kann trotz der vielen pantomimischen Elemente die Handlung nur als Aneinanderreihung von Szenen erzählen. Die einen gehen ab, die anderen trippeln auf. Das, was dem Ballett vor allem gegeben ist, Gefühle auszudrücken, Stimmungen wiederzugeben, fehlt diesem Showereignis. Dafür darf der Esel singen und ewig grüßen die funkelnden Elfenkinder.
Ein Sommernachtstraum, Wiener Staatsoper, 31.03.2010