Mitreißend und temperamentvoll präsentierte das Staatsballett Wien die Premiere von „Don Quixote“ mit Maria Yakovleva und Denys Cherevychko in den Hauptpartien. Die übrigen SolistInnen und die gesamte Compagnie standen ihnen nicht nach. Ein erhebendes Erlebnis, das nicht zuletzt dem Dirigenten des Staatsopernorchesters Ermanno Florio zu verdanken ist.
Ballettdirektor Manuel Legris war es ein persönliches Anliegen, das von Marius Petipa geschaffene und von Rudolf Nurejew 1966 für Wien eingerichtete Ballett „Don Quixote“ wieder aufleben zu lassen. Er selbst hat in Nurejews Pariser Choreografie in nahezu allen solistischen Rollen geglänzt und diese nun mit seiner Wiener Compagnie und Studierenden der Ballettschule der Wiener Staatsoper persönlich einstudiert. Die Arbeit hat sich gelohnt: Sowohl die Solistinnen und Solisten als auch das vergrößerte Corps brillierten mit Technik und Ausdruck, Spielfreude und Elan.
Denys Cherevychko als verliebter Basil, der es faustdick hinter den Ohren hat, besticht durch stupende Beinarbeit und fröhlichen Charme. Maria Yakovleva, deren makellose Technik nicht erwähnt werden muss, ist eine schalkhaft-kecke Kitri, Mädchen und Weibchen zugleich, die ihrem Basil zeigt, wo es lang geht und dem Vater, dem die Verbindung gar nicht passt, buchstäblich auf der Nase herumtanzt. Die schwierigen und von Florio in rasantem Tempo dirigierten Pas de deux und Variationen der beiden reißen das Publikum immer wieder zu Beifallsstürmen hin. Schon im ersten Akt, nach dem einleitenden Prolog mit Quixote und Sancho, war die Stimmung im Saal auf 100.000 Volt.
Der Titel des mit viel Witz gestalteten Handlungsballetts ist eigentlich eine Irreführung. Don Quixote, der verträumte Landadelige, ist nur eine Nebenfigur in der Schelmengeschichte vom listigen Liebespaar Kitri und Basil. Der Ritter von der traurigen Gestalt und sein Diener Sancho Pansa (köstlich von Thomas Mayerhofer und Christoph Wenzel interpretiert) dürfen zwar tollpatschig ins Geschehen eingreifen, aber im Mittelpunkt der Choreografie steht der Titelheld nicht. Er darf aber von seiner Dulcinea (Yakovleva diesmal ganz klassisch im weißen Tütü) träumen. Allerdings dienen seine Träume vom Zaubergarten dazu, einen perfekten klassischen „weißen“ Akt einzuschieben, der neben Yakovleva auch Olga Esina als Königin der Dryaden und Kiyoka Hashimoto samt allen Dryaden Sonderapplaus beschert.
So schön und technisch einwandfrei haben alle getanzt, so engagiert haben alle ihre Rollen interpretiert, dass noch mehr Namen zu nennen sind. Mihail Sosnovschi verführt als Csárdas tanzender Zigeuner mit seinen hohen Sprüngen wieder einmal nicht nur das Stehparterre; Eno Peci ist ein stolzer, feuriger Torero, seine Partnerin Ketevan Papava eine bezaubernde Straßentänzerin. Besonders gefallen haben auch die pantomimischen Rollen, die Legris gehindert hat, zu outrieren und mit dumpfem Klamauk auf Publikumsfang zu gehen. Französischer Esprit und italienische Commedia ließen die Auftritte von Sancho Pansa, Lorenzo (Franz Peter Karolyi als Wirt und Vater Kitris), Gamache (Gabor Oberegger als reicher, dümmlicher Anwärter auf Kitris Hand) zum puren Vergnügen werden. Und auch das Corps de Ballet samt dessen solistisch tanzenden Mitgliedern, den Solistinnen und Halbsolistinnen (um niemanden zu kränken, seien sie genannt, wie der Programmzettel sie aufzählt: Ioanna Avraam, Natalie Kusch; Erika Kovácova, Dagmar Kronberger; Alice Firenze, Alena Klochkova, Reina Sawai, Liudmila Konovalova) haben ob der taktgenauen Perfektion und des Gleichklangs den enthusiastischen Szenen- und lang anhaltenden Schlussapplaus reichlich verdient.
Nach all dem süßen Honig, der da geschmiert worden ist, die bittere Pille: Die Ausstattung kann mit der Qualität der Mitwirkenden nicht mithalten. Verstaubt und altmodisch wirken die Tapeten, farblich nicht konvenierend und teilweise viel zu schwer und überladen die Kostüme. Da wäre es an der Zeit gewesen, mit der Tradition zu brechen, den verdienten Ausstatter Nicholas Georgiadis (1923–2001) friedlich ruhen zu lassen und dem spritzigen Abend den adäquaten (locker-leichten) Rahmen zu geben.
Der hispanisierenden Originalmusik von Ludwig Minkus sind für Nurejews Choreografie vom routinierten Arrangeur John Lanchbery noch einige spanische Glanzlichter aufgesetzt worden, sodass auch die Musik (im richtigen Tempo gespielt) das in der Erinnerung auftauchende Adjektiv „langweilig“ keineswegs verdient. Dass diese getanzte Komödie äußerst schwierige Variationen für die Tänzer/innen enthält, sei nicht nur nebenbei erwähnt. Dass das Staatsballett diese mit Leichtigkeit meistert, ist harter Probenarbeit und wohl auch liebevoller Motivation durch den Direktor zu verdanken.
Nächste Vorstellungen in veränderter Besetzung: 8., 15., 25. 27. März.