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flyingbachMit der bereits mit dem Echo-Klassik-Preis ausgezeichneten Choreografie „Flying Bach“ ihres Gründers und Chefs Vartan Bassil eroberten die Berliner Breakdancer „Flying Steps“ das Publikum im Wiener Burgtheater. Mit Präzision und Taktgefühl tanzen die sechs B-Boys zu den ersten zwölf Präludien und Fugen von Bachs „Wohltemperiertem Klavier“.

Wenn sie mit lässigem Schritt in quietschenden Turnschuhen, mit Baseballkappe und Sportjacke das quadratische Podest auf der Bühne des Burgtheaters betreten, ist Johann Sebastian Bach bereits präsent. Das Präludium spielt Christoph Hagel am Klavier (später mischt sich auch Saina Chukurova am Cembalo ein) während eine Ballerina im weißen Tütü auf der Spitze tanzt. Das kennt man. Die Explosion aber, die die darauffolgende Fuge begleitet ist neu und gewagt. Breakdancer machen ihre Headspins, Flares und Airtwists genau im Takt zu Bachs Noten. In Solos, Duos und Trios begeistern die Flying Steps ebenso, wie als Gruppe.

Breakdance ist eine schweißtreibende Kunst und die Ausübenden brauchen viele Pausen. So muss die einstündige Aufführungen durch die immer wieder erscheinende Ballerina, Farbenspiele auf der Videowand, einem interessanten Zeitlupenfilm eines Hip Hop-Solos und elektronisch aufbereitete und dick überlagerte Bachverschnitte gestreckt werden. Dabei tauchen auch undeutliche Bemühungen auf, eine Handlung zu konstruieren (Ballett flirtet mit Breakdance), doch genau das ist nicht gelungen und macht die Schwächen dieses vom Pianisten und Dirigenten Christoph Hagel initiierten und von Red Bull gesponserten Unternehmens deutlich. Völlig misslungen sind die Pas de deux der Tänzerin (Sylvania Pen) mit einem Boy – statt Kontrast oder Annäherung der beiden Stile, war nur Hilflosigkeit zu sehen.

Johann Sebastian Bach ließ sich geduldig benutzen, schließlich eignet sich der kontrapunktische Rhythmus der hämmernden Fugen gut zum genauen Abzählen und kann zeitgenau in die Breakdance-Bewegungen umgesetzt werden. Dieses gelingt beeindruckend gut. Genau das Experiment aber engt die Breakdancer ein, sie müssen sich unterordnen, zu eindrucksvollen Tableaus organisieren und dürfen ihre individuellen Fähigkeiten nur zeigen, wenn Bach Pause macht. So wirklich konnte sich Choreograf Vartan Bassil mit Bachs Musik doch nicht anfreunden, sonst hätte er auf den elektronischen Beat wohl verzichtet.

Beach und Breakdance haben sich zwar nicht gerade in inniger Umarmung gewiegt, aber sie standen einander auch nicht feindlich gegenüber. Doch reicht das doch recht schmale Breakdance-Vokabular nicht aus, um mit Bach mitzuhalten und die Sequenzen werden immer beliebiger. Erst am Schluss, in den Solodraufgaben, zeigten die Boys, dass sie auf Bach recht gut verzichten können und dennoch Weltmeister (bereits vier Mal) ihres Faches bleiben. Das Publikum, nicht gerade Stammgäste im Burgtheater, jedenfalls hat die Performance genossen. Was der lautstarke Zwischen- und der nicht enden wollende Schlussapplaus deutlich gezeigt hat.

Red Bull Flying Bach“, Burgtheater, 5. November 2011

Da die November-Vorstellungen alle ausverkauft sind, wird die Tournee am 6. und 7. Jänner noch einmal in Wien Station machen.