Auch in ihrer fünften Saison locken Wilhelm Buschs getanzte Streiche von „Max und Moritz“ Großeltern mit Enkelkindern in die Volksoper. Das vor Einfällen sprühende Ballett von Ferenc Barbay und Michael Kropf turnt so frisch und fröhlich über die Bühne als wäre es die erste Vorstellung. Für diese Saison war es jedoch zum Leidwesen vieler Familien die letzte.
Lisa (dreiundhalb) hat es besser getroffen, als Sophie, Pia und Madeleine. Die heranwachsenden Töchter langweilten sich in der Staatsoper, wo das klassische Ballett „Dornröschen“ als Wiederaufnahme Premiere hatte, während Lisa einen Tag davor in der Volksoper gebannt dem Treiben der bösen Buben zusah und in der Pause gar nicht von ihrem Platz weichen wollte, um ja nichts zu versäumen. „Kommen die Buben wieder?“, war die bange Frage. Die Oma konnte sie beruhigen: „Die Buben kommen immer wieder.“
Einen wesentlichen Anteil an der Begeisterung des kleinen und großen Publikums hatte nicht nur das Ballett der Volksoper sondern vor allem auch das Orchester des Hauses. Dirigent Alexander Dr?ar spornte die Musiker mit eingebautem Zeitraffer zu Höchstleistungen an, was SolistInnen und Ensemble sichtlich Freude bereitete. Energiegeladen und animiert wirbelten nicht nur die geplagten Opfer sondern auch Hund und Krabbelkäfer, Schwäne und niedliche Enten auf allen Ebenen über die Bühne und ließen es dennoch nicht an Präzision fehlen. Perfekt arbeiteten die TänzerInnen oben auf der Bühne mit den MusikerInnen unten im Graben zusammen, verbreiteten gute Laune und Tanzfreude gleichermaßen.
Edmund Gleedes Libretto wartet mit einer Fülle von Gags und Überraschungen auf, die schon so manche Darsteller/innen zu schamlosem Outrieren verführt haben. Die aktuelle Besetzung setzte jedoch auf dezenten Witz ohne auf die Effekte, die das befreiende Lachen bringen, zu verzichten. Zu dezent allerdings blieben die beiden Hauptfiguren. Alexej Khludov und Dumitru Taran absolvieren ihre Streiche eher lustlos, hatten scheinbar kein Gaudium dabei und leisteten sich auch keinen Extra-Purzelbaum. Freilich, es der Premierenbesetzung mit Daniil Simkin und Denys Cherevychko gleich zu tun ist nahezu unmöglich. Da überkugelten sich Max und Moritz vor Lebensfreude, turnten und sprangen vor überschäumender Energie und spielten so herzige Buben, dass auch die größte Bosheit verziehen wurde. Als Simkin nicht mehr zur Verfügung stand (er macht in Übersee Karriere) tanzte Cherevychko mit Richard Szabó (Max) im Duett. Mit diesen Tänzern wurde auch die in der Volksoper erhältliche DVD aufgenommen. Sowhol als Max als auch als Moritz in Erinnerung bleibt auch Davide Dato, der die anspruchsvollen Sprungkombinationen mit launigem Elan vollführt hat. Seine Partner waren Dumitru Taran und Richard Szabó. Taran ist nun der blonde Moritz, doch es gelingt ihm nicht, seinen Partner Khludov mitzureißen. Da wird zwar ein wenig gezupft und geklapst, aber so richtig elektrisieren können die beiden nicht. Dermaßen ordentliche, gesittete Buben hat Wilhelm Busch nicht geschaffen.
Zwar werden die Bösewichte am Ende in der Mühle geschrotet, doch kommen sie in verkleinerter Form (zwei Knaben aus der Ballettschule) wieder aus dem Buch hervor. Was Lisa zu heftigem Applaus hingerissen hat. Dass sich Max und Moritz verdoppeln können, hat auch anderen ZuschauerInnen gefallen, der jubelnde Applaus hat es bestätigt. Wenn die großen und kleinen Buben samt dem gesamten bestens gelaunten Ensemble immer wieder vor den Vorhang kommen, dann ist es auch ein Versprechen: Wir kommen wieder.
So soll es sein.
„Max und Moritz“, Wiener Staatsballett in der Volksoper, 20. November 2011.