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faunDas Programm ist ein musikalischer Blockbuster. Orffs „Carmina Burana“ steht titelgebend über dem dreiteiligen Ballettabend - zusammen mit Ravels „Bolero“ und Debussys „Nachmittag eines Fauns“ ergibt das ein wahrliches Hit-Paket der neueren Klassik. Kein Wunder also, dass die Nachfrage das Angebot übertrifft und bereits eine Zusatzvorstellung eingeschoben wurde.

Das ist für den bislang unterbelichteten Teil des Wiener Staatsballetts, sprich: das Ballett der Volksoper prinzipiell erfreulich. Die Entscheidung, die beiden Ensembles unter einem Dach zu vereinen, ist ja offensichtlich nicht aufgegangen. Die angestrebte Durchlässigkeit zwischen Staats- und Volksoper gibt es nicht. Bislang wurden die Ballettabende im Haus am Gürtel vorwiegend von Wiener Staatsoperntänzern bestritten (abgesehen von Béjarts „Le Concours“). Der Triumph gehört nun aber allein dem Ensemble der Volksoper. Schade nur, dass er sich nur aufgrund der Musik und nicht der Choreografie begründet lässt.

Das Orchester unter der Leitung von Guido Mancusi musizierte an diesem Premierenabend großartig. Debussys symphonische Dichtung „Nachmittag eines Fauns“ schwebt mit seinen zart gewebten, offenen Strukturen im Raum. Ravels „Bolero“ steigert sich mit gleichbleibendem Tempo bis zur orchestralen Katharsis – wie im Rausch gerät der Zuhörer in den Strudel der Wiederholung und orchestralen Variationen. Carl Orffs „Carmina Burana“ gerät mit dem Chor und dem Kinderchor der Volksoper Wien zu einem erdverbundenen Monumentalwerk. Die SolistInnen – Beate Ritter mit ihrem glockenhellen Sopran, der Bariton Klaus Kuttler und der Tenor Jörg Schneider – sind dabei eine Klasse für sich.

Soviel Sorgfalt wie bei der musikalischen Umsetzung hätte man sich auch bei der Auswahl der Choreografen gewünscht, aber man vergab die Aufträge an drei TänzerInnen, die bisher wenig Profil in diesem Metier aufweisen. So hat Vesna Orlic, Ballettmeisterin und Stellvertreterin des Ballettdirektors für künstlerische Belange an der Volksoper, gerade einmal drei kurze Stücke im Rahmen von choreo.lab des Ballettclubs kreiert. Und nun gleich die „Carmina Burana“, in der sie nicht nur das Ballettensemble, sondern auch Chöre auf der Bühne zu managen hat? So ist das Ergebnis wenig überraschend auch eine Aneinanderreihung von Szenen, von lieblichem Tänzen auf Spitze (!?) bis hin zu einem derb-antiklerikalen Tableau. In diesem Spektakel voller Effekte und von zweifelhaftem Geschmack fehlt der große Bogen, auch wenn Fortuna (Florian Hurler en travestie) ebenso wie drei Paare in unterschiedlichen Lebensstadien immer wieder auftauchen und Kontinuität vermitteln sollen. In der Tanzsprache vermisst man jedoch ein Konzept, ganz zu schweigen von einer Auseinandersetzung mit den Ursprüngen von Orffs Meisterwerk, das so eng mit der Tanzavantgarde des letzten Jahrhunderts, also mit dem Ausdruckstanz verbunden ist.

Arbeiten des Staatsballett-Halbsolisten András Lukács waren zwar bereits mehrmals zu sehen, aber haben diese ihn gleich zu einem so populären Werk wie „Bolero“ qualifiziert? Lukás versucht sich von den Vorbildern abzuheben, indem er die ekstatische Steigerung der Partitur ignoriert. In seiner als Ballszene gestalteten Interpretation schreiten die Tänzer majestätisch zum gnadenlosen Beat in geometrischen Linien über die Bühne. Der Kreis, der bei „Bolero“-Choreografien zwingend scheint, wird bei Lukács auf Drehmomente in der Linienführung reduziert. Dabei hätten die schwarzen Röcke, in die die Tänzerinnen und Tänzer gekleidet waren (Kostüme: Mónika Herwerth), durchaus das Potenzial für einen berauschenden Wirbel gehabt.

Auch Boris Nebyla ist als Choreograf kein „alter Hase“ und als solcher vor allem für seine Arbeit beim Opernball bekannt. Mit der offenen Struktur von Debussys Komposition hatte er es aber von den dreien noch am Leichtesten. In seinem Pas de deux ist der Faun ein kraftvoller Liebesbesessener. Die athletische Choreografie mit Referenzen an das Original von Wazlaw Nijinski scheint für Mihail Sosnovschi (der Solist aus dem an der Staatsoper beheimateten Ensemble wird noch zwei Folgevorstellungen tanzen) maßgeschneidert. Seine Partnerin Tainá Ferreira Luiz ist dem Eros dieses Kraftlackels scheinbar hilflos ausgeliefert.

Die Enttäuschung über die Choreografien soll jedoch nicht verdecken, dass die TänzerInnen an diesem Abend ihr Bestes gegeben und eine anständige Leistung geliefert haben.

"Carmina Burana", Wiener Staatsballett an der Volksoper Wien, Premiere am 2. März 2012
Weitere Vorstellungen: 5., 11., 21., 27. März, 17., 23. April, 3. Mai