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Mit Hilfe von Antonio Vivaldi und Philip Glass zauberten Katrin Hall, Fabrice Jucquois und Jochen Ulrich die Jahreszeiten des Menschenlebens auf die Ballettbühne des Linzer Landestheaters. Ein bunter Reigen von Begegnungen, zärtlich, liebevoll, aggressiv und geheimnisvoll drehte sich im magischen Bühnenbild von Stephan Mannteuffel. „Die vier Jahreszeiten“ sind zwei Ballette, die das Leben aus wechselnden Perspektiven zeigen.

Eine weiße Wand auf der Drehbühne symbolisiert das Haus des Lebens. Menschen schauen durch das Fenster, quellen durch die schmale Tür herein, wandern im Stiegenhaus auf und ab, feiern Feste, streiten, lieben, betonen ihre Eigenheiten und wollen doch von der Gruppe aufgenommen werden. Katrin Hall, seit 1996 Chefin der renommierten Iceland Dance Company, erzählt in ihrer Choreografie für Linz  vom Leben in ihrer Heimat Island. „Wir sind so wenige. Da spürt jeder seinen eigenen Wert. Die Individualität in der Gruppe ist sehr wichtig.“

Jochen Ulrich, Ballettchef in Linz, bei dem Hall im Tanzforum Köln, der ersten modernen Tanzcompagnie in Deutschland, sieben Jahre als Solotänzerin gearbeitet hat, hat als Musik für die Gastchoreografie in Linz vier Violinkonzerte von Vivaldi, unter dem sattsam bekannten Titel „Die vier Jahreszeiten“ zusammengefasst, vorgeschlagen. Hall lässt sich nicht verführen, die Ohrwürmer zu bebildern, schenkt den von Ulrich akrobatisch geschulten TänzerInnen des Landestheaters weiche, schwungvolle Bewegungen, aber auch wilde Sprünge und Hebungen, mit Szenen, die sehr stimmig der vivaldischen Musik zuwider laufen. Auf die Dauer jedoch traut Hall ihrer für Ulrichs Publikum ungewohnten, herben (nicht wirklich narrativen) Choreografie nicht und überzuckert sie mit platten Metaphern, (Dia-)Showkinkerlitzchen und mild rauschenden Regengüssen. Das von aussagekräftiger Bewegung getragene Stück verliert an Stringenz und verkommt zum romantischen Videoclip.

Die Kammer zum zweiten Teil des Abends bildet nicht nur der ähnliche Titel („The American Four Seasons“ für Philip Glass’ Konzert Nr. 2 für Violine und Orchester) sondern auch das praktikable und in seiner Einfachheit beeindruckende Bühnenbild Mannteuffels, der auch die ansprechenden und (im 2. Teil) fantasievoll-witzigen Kostüme entworfen hat.  Am Ende des ersten Stückes dreht sich die Innenwand nach außen und wird zum üppigen Garten. Dort spielt dann der zweite Teil, der seinerseits unterteilt ist. Nicht nur weil zwei Choreografen mit der Musik gearbeitet haben, sondern auch weil im Garten (Eden?) zwei Welten aufeinanderprallen. Die reale (choreografiert von Ulrich) und die theatralische, ungezähmte, komödiantische und fantastische (Jucquois). In der können sich Choreograf und Kostümbildner austoben. Immer mehr skurrile, komische, märchenhafte Figuren quellen aus der grünen Wand, um ihr verrücktes Spiel zu treiben. William Shakespeares „Sommernachtsraum“ lässt grüßen und auch sein „Sturm“. Der Voodoo-König versteckt sich hinter einer Maske, doch die Maske ist das Gesicht und die Orgie wird zum Fanal. Doch auch Patrice Jucquois bleibt nicht bei seinen eigenen Bildern, vertraut weniger dem Können der Compagnie und der unaufhörlich treibenden Musik von Glass als kindischen Aperçus. Shakespeares unheimliche Schönheit wird von den Floskeln des Cirque du Soleil vertrieben.

Der frenetische Applaus galt sowohl den Mitwirkenden auf der Bühne, als auch jenen im Orchestergraben. Das Brucknerorchester wurde diesmal nicht von seinem Chefdirigenten Dennis Russell Davies geleitet, sondern von dessen (ehemaligen) Schüler Takeshi Moriuchi, der vor allem, wie auch das gesamte Orchester, mit Philip Glass seine reine Freude hatte.

„Die vier Jahreszeiten“,  Landestheater Linz, 3. März 2012

Nächste Vorstellungen: 16., 28. März; 8., 14. April 2012.

Am 20. April 2012 zeigt Jochen Ulrich die Uraufführung seines neuen Balletts „Das Narrenschiff“.