Reality&Fiction. Der durch unkonventionelle Klassiker-Inszenierungen bekannte ungarische Regisseur Árpád Schilling ("Die Möwe" Wiener Festwochen 2005) hat mit seiner „Krizis – trilógia“ einen neuen Weg eingeschlagen. Er arbeitete in Workshops mit Jugendlichen aus Dörfern in Siebenbürgen. Daraus entstand eine Trilogie – in Wien war der dritte Teil „A papnö“ („Die Priesterin“) zu sehen.
Árpád Schilling hat mit dieser Arbeit ein interessantes pädagogisches Community-Projekt geschaffen. Bei den Workshops wurden auch Themen und Fragen bearbeitet, die die Jugendlichen eingebracht hatten. Entstanden ist daraus ein Schauspiel, das sich im Spannungsfeld zwischen Realität und Fiktion bewegt, da die Zuschauer nie genau wissen, welches Material dokumentarisch oder welches fiktional ist.Das Stück dreht sich jedenfalls um pädagogische Methoden. Eine Theaterpädagogin kommt an eine Dorfschule mit ungewohnten Methoden, die beim Lehrerkollegium und der Direktion Skepsis hervorrufen: Sie begegnet ihren Schülern „auf Augenhöhe“ und „im Unterricht wird zu viel gelacht.“ Sie hört, dass sie nur eingestellt wurde, weil das eine Voraussetzung für eine EU-Förderung darstellte.
In einem Film sieht man eine ihrer Unterrichtsmethoden. SchülerInnen versetzen sich in Menschen verschiedener Schichten und Altersstrukturen und Bildungsgrade und beantworten Fragen wie: Ob sie glauben leicht einen Job zu bekommen? Ob sie Sozialhilfe beziehen? Ob sie ein eigenes Zimmer haben? Vom Universitätsdozenten bis zum Schäfer, Friseuse, Roma-Junge oder jugendlichem Dealer reicht das Spektrum der Menschen, deren unterschiedliche Perspektiven oder Probleme die SchülerInnen so „am eigenen Leib“ erfahren können.
Die Theaterpädagogin Lilla erarbeitet mit den SchülerInnen auch Strategien mit Konflikten umzugehen. In der Gruppe werden die Situation und deren Auslöser und die Perspektiven aller Beteiligten beleuchtet. Die Jugendlichen selbst finden Lösungen und Erklärungen.
Auch das Publikum wird nicht in einer passiven Rolle belassen: Während der Aufführung durchbricht ein Schüler die Fiktion, tritt an die Bühnenrampe und wendet sich mit Fragen an das Publikum. Was auf der Bühne gespielt würde? Welche Rolle die Jugendlichen spielen würden? Und welche Rolle die Jungend in der richtigen Welt spielen. Eine Antwort aus dem Publikum lautet: Normalerweise hört den Jugendlichen niemand zu.
Trotz vielversprechender Ansätze mündet die Aufführung in eine etwas platt geratene Kontrapunkt-Setzung: Theaterpädagogik versus traditioneller, konservativer Lehrmethoden. Im Verlauf des Stücks gibt es auch einen überraschenden, etwas unmotiviert wirkenden Schwenk zur Religion, der in einem finalen Kampf der Theaterpädagogin mit dem Dorfpfarrer mündet. Die Lehrerin gibt auf und verlässt die Dorfschule.
Diese finale Schwarz/Weiß-Zeichnung ohne allzu große Nuancen zerstört ein wenig den zuerst durchaus positiven Eindruck von dieser Arbeit Schillings, in der einmal die nächsten Generation eine Hauptrolle bekommen hat.
Krízis - trilógia, III: A papnö (Krise - Trilogie, III: Die Priesterin), Halle G im Museumsquartier, 31. Mai 2012