Das Musiktheaterfestival „Teatro Barocco“ setzt neue Schwerpunkte. Nicht nur die Musik, sondern auch Gestik, Licht und Ausstattung sollen "original" sein. Stift Altenburg bietet mit der Bibliothek auch einen originalen Raum.
Optisch und musikalisch effektvoll. Bernd R. Bienert, Choreograf, Musiktheaterregisseur und nun auch Intendant, will mit seinem „Teatro Barocco“ zeigen, wie man im Spätbarock (gegen Ende des 18. Jahrhunderts) (Musik-)Theater gespielt hat. Erstmals wird neben dem Originalklang auch auf die anderen Elemente einer theatralen Aufführung Wert gelegt. Zum Originalklang im originalen Raum rekonstruierte Bienert auch die damals zelebrierte Bewegungssprache. Aus Raum, Klang, Ausstattung, Text und Tanz ist ein Gesamtkunstwerk entstanden, das auch das Originale (Kerzen-)Licht entzückt.
Bienert, der sich seit geraumer Zeit mit Verbindung und auch Wechselwirkung von Text und Bewegung beschäftigt, hat für sein Konzept den idealen Raum (und in Kultur- und Gast-Pater Michael den idealen Unterstützer) gefunden. Das Stift Altenburg ist vom Baumeister Joseph Mungenast, einem Neffen Jakob Prandtauers, um 1730 barockisiert worden; der Maler Paul Troger, bekannt als Freskant nahezu aller niederösterreichischen Benediktinerstifte, hat die Deckenfresken in der Kirche und der Bibliothek gestaltet. In dieses prächtige Ambiente hat Bienert nach intensiven Studien eine kleine Barockbühne mit gemalten Kulissen hineingestellt, auf der heuer Georg Anton Bendas Duodrama „ auf Naxos“ so wie Michael Haydns Lustspiel „Der Bassgeiger zu Wörgl“ gezeigt wird.
Das Melodram, fast eine Oper. Zu Beginn also die tragische Geschichte der „Ariadne auf Naxos“, uraufgeführt 1775 im Schloss Friedenstein, Gotha. Benda hat selbst die Fassung für ein kleines Privattheater eingerichtet, Martin Fuchsberger, Leiter des mitwirkenden Ensembles Teatro Barocco, hat das „Melodram“ bearbeitet. Der Begriff „Melodram“ bezeichnet im Musiktheater ein Werk, in dem Instrumentalmusik, gesprochener Text und Gestik gleichberechtigt nebeneinander stehen, einander überlagern und quasi in einen Dialog treten. Mozart soll von der Intensität des reichen Bewegungsvokabulars fasziniert gewesen sein. Auch die Tänzerin Kira von Zierotin hätte ihn sicher bezaubert. Sie mimt (und spricht) die von ihrem Geliebten Theseus verlassene Ariadne mit ausdrucksstarken, eleganten Bewegungen, die ergänzt durch die Wind und Wetter, Landschaft und Emotionen malenden Musik, die Klage einer Verlassenen zu Herzen gehen lassen. Fehlen dürfen auch nicht die beliebten Effekten des barocken Maschinentheaters. Unter Blitz und Donner, stürzt die Unglückliche ins aufbrausende Meer.
Theseus wird im damals üblichen Griechen-Kostüm von Spiritus rector Bienert selbst, der einst seine Karriere als Tänzer an der Wiener Staatsoper begonnen hat, gemimt, während ein Sprecher (Ernst Christian Mathon) versucht den Text zu lesen. Ein Glück, dass auch der Zuschauerraum „original“, also beleuchtet, belassen worden ist und Theseus’ Abschiedsrede im Programmheft zu sehen ist.
Für den zweiten Teil des Abends hat Intendant Bienert eine Komödie Michael Haydns gewählt. „Der Bassgeiger zu Wörgl“ – in der Bearbeitung von Bienert (Text) und Fuchsberger (Musik) – ist ein köstliches Lustspiel um eine Ehekrise. Simone Vierlinger (Sopran) und Rafael Fingerlos (Bariton) singen, spielen und mimen allerliebst das am Ende wieder in Liebe vereinte Ehepaar. Ein kurzweiliges Stück Musiktheater, so spritzig und belebend, wie der Frizzante „Libellenteich“, der im Weingut Stift Altenburg gekeltert wird. Die Geburt eines unvergleichlichen Festivals ist gelungen.
Festival Teatro Barocco, Premiere am 14. Juli 2012, Stift Altenburg.
Weitere Aufführungen: 20. und 21. Juli 2012.