Beschwingte Leichtigkeit. Anne Teresa De Keersmaeker hat ihr 1998 bei ImPulsTanz uraufgeführtes Stück „Drumming“ aufgefrischt und beweist damit, dass Tanz allein beim Zuschauen glücklich machen kann.
Noch schwatzt das Publikum im Burgtheater und die TänzerInnen tun es ihm gleich. Sie stehen rechts und links der Bühne und unterhalten sich, locker und gelassen. Fast unbemerkt kommen die Musiker (anfangs drei von zwölf) auf die Bühne, ein Trommelwirbel setzt ein und die zwölf TänzerInnen (acht Frauen, vier Männer) der Compagnie Rosas beginnen zu fliegen, zu wirbeln, zu segeln und gleiten. Im unaufhörlichen energetischen Strom der Bewegung übernehmen sie in diesem getanzten Staffellauf die Bewegungen voneinander, spiegeln, variieren, konterkarieren sie ganz der Musik hingegeben. Die Musik von Steve Reich, "Drumming", gibt dem Ballett den Namen. Wie der Minimalmusiker seine Komposition aus einem einzigen Thema mit kräftigen Bongotrommeln, zartem Glockenspiel, Marimbas, silbriger Flöte und Gesang entwickelt und variiert, so setzt De Keersmaeker die Musik in Tanz um. Die Musiker des beeindruckenden Ictus-Ensembles, nehmen am Tanz teil. Kommen und gehen, geben gemeinsam den Rhythmus an, lassen ein Solo erklingen, spielen im Duo, Trio und Quartett. Die TänzerInnen geben sich der Musik hin, gehen in ihr auf, lösen sich aus der Gruppe, suchen die Begegnung, gruppieren sich zu zweit, zu dritt oder tanzen selbstvergessen ein Solo. Sie treiben einander an und lassen sich vom Trommelwirbel animieren, rund um die Bühne zu rasen und gleich darauf wieder im Flug mit der Gruppe zu verschmelzen. Alles ist erlaubt, Hebungen, Drehungen, Sprungvariationen, Anklänge an das klassische Ballett, aber auch Purzelbaum und Kopfstand. Die unbändige Fröhlichkeit, die dieses Stück ausstrahlt wird nicht nur durch den schwungvoll strömenden Bewegungsablauf spürbar, auch die Gesichter der Tänzerinnen strahlen sie aus. Sie schauen sich in die Augen, lächeln einander zu, feuern einander durch ein gerufenes „Go“ an und zeigen auch nach 60 Minuten keinerlei Anzeichen von Müdigkeit. Die Präzision dieses Klassikers des zeitgenössischen Tanzes lässt in keiner Sekunde nach und wenn die Compagnie in der Bewegung erstarrt, dann folgt sie nur dem Komponisten, der einen Moment der Stille in die sich verschlingende repetitive Struktur seiner Musik eingebaut hat. Bewundernswert ist nicht nur die Kondition der TänzerInnen, bewundernswert sind die auch die Kostüme des belgischen Designers Dries Van Noten. Fließende, flatternde weiße Gewänder, die in manchen Passagen durch leichte Jacken in zarten Orangetönen akzentuiert werden. Im vierten Teil gleitet eine Tänzerin im Silberkostüm zur Männergruppe, wird als Diva in die Höhe gehoben, im Kreis geschwenkt, locker und leicht. Das im Einklang mit Musik und Tanz wechselnde Licht (Jan Versweyveld) geht aus, die Trommeln schweigen. Der Zauber bliebt in der Erinnerung.
Dass dieses großartige Stück nicht verloren gehen darf, macht De Keersmaeker mit der gelungenen Auffrischung nur allzu deutlich. Kein Krampf im Kopf, sondern Bewegung mit und aus der Musik. Tanz eben. Großartiger, beglückender Tanz.
Rosas / Anne Teresa De Keersmaeker und Ictus: „Drumming live“, gesehen am 16. Juli 2012, Burgtheater im Rahmen von ImPulsTanz.