Es ist nahezu geschafft. Die dritte Vorstellung der neu einstudierten „Nussknacker“-Fassung von Rudolf Nurejew ließ kaum noch Wünsche offen. Kiyoka Hashimoto als Clara und Robert Gabdullin als Drosselmayer / Der Prinz brachten das ausverkaufte Haus auf Hochtouren. Die Belohnung für die großartige Leistung folgte wortwörtlich auf den Fuß: Hashimoto wurde von Manuel Legris zur Solotänzerin ernannt.
Fröhlich tändelnd stellte sich die Tänzerin aus Japan als Clara vor, selig lächelnd glitt sie in die Arme des Prinzen, wechselte eindrucksvoll von verklärter Freude zu ängstlichem Grauen (in der Fledermausszene) und verzauberte schließlich das Publikum im Grand Pas de deux mit einer hinreißenden Darbietung. Gabdullin als verlässlich hebender Prinz bemühte sich auch als Solist wacker, es der nun zur Solotänzerin avancierten Partnerin gleich zu tun. Doch die Palme gebührt vor allem ihr.
Im Grand Pas machte das Paar so richtig klar, worum es Nurejew im Kern gegangen ist. Weniger um die Erzählung einer märchenhafte Geschichte, als darum den klassischen Tanz in seiner vollen Blüte zu zeigen und am Leben zu halten. Wird doch der gesamte große Auftritt im quasi luftleeren Raum (keine Festgäste auf der Bühne, kaum Dekoration, lediglich die Luster leuchten) getanzt. Tänzer, Tänzerin und das atemlose Publikum können sich ganz auf die Kunst des Schwebens und Fliegens konzentrieren.
Dumitru Taran zeigte einen spritzigen Fritz, einen Knaben, der nicht mehr Kind und doch noch nicht erwachsen ist. Gemeinsam mit den beiden anderen Puppen (Hashimoto und Emilia Baranowicz) erfreute er auch als mechanischer Husar samt Säbel. Als spanischer Tänzer (2. Akt) darf er jedoch noch etwas Temperament zulegen. Eno Peci mühte sich, schmiegsam und ausdrucksstark, im Arabischen Tanz mit der etwas steifen Alice Firenze. Prisca Zeisel durfte neben der Soloschneeflocke auch im Pas de trois des 2. Aktes (Pastorale) ihr Talent zeigen.
Im Corps de Ballet hat sich einiges geordnet und gefügt. Perfekt ist der Schneeflockentanz gelungen, der gewohnte Gleichklang ist nun hergestellt. Der Blumenwalzer scheitert nicht nur an den Schwierigkeiten, die Nurejew als Choreograf eingebaut hat, sondern auch an den Kostümen: Zu viel Gold, zu viel Gelb, vor den Augen verschwimmt alles in Glanz und Glitzer, die TänzerInnen sind kaum noch auszunehmen. Diesen Eindruck zu ändern, bedarf es noch größerer Exaktheit.
Ein wahres Fest. Und jetzt die nicht oft genug zu wiederholende Litaneien: Sonderapplaus für die mit unermüdlichem Engagement und mitreißender Spielfreude agierenden Kinder (noch einmal sei es erwähnt: Einstudierung Natalie Aubin) und natürlich auch für das Orchester unter Paul Connelly. Auch Musikfreunde, die ihre Ballettvorstellung mit dem Opernabonnement erhalten, waren ob der Einfühlsamkeit des Dirigenten und der Klangfülle im Orchestergraben entzückt. Die Vorstellung dieses funkelnden und so russisch anmutenden Balletts war ein Fest.
Der Nussknacker“ am 15. Oktober 2012 in der Wiener Staatsoper. Weitere Vorstellungen: 26. Oktober, 23., 25., 27. und 28. Dezember 2012