Feudale Love Story. Nachdem uns Peter Breuer zuletzt in „Elements“ und dem Beatles-Abend mit Collagen ermüdete, erfreut seine aktuelle Ballett-Premiere „Marie Antoinette“ mit einer stringenten Story voll Sex und Crime. Mit seiner Deutung des Königinnenschicksals fährt der Ballettchef am Salzburger Landestheater einen zuckersüßen Erfolg ein.
Marie Antoinettes Biografie, seit Sophia Coppolas gleichnamigem Kinofilm (USA, 2006) wieder breiten Bevölkerungskreisen vertraut, bietet sich für kontroverse Interpretationen an, von einer im Goldenen Käfig gefangenen Unschuld bis zur dekadenten zurecht gelynchten Herrscherin.
Breuer, Spezialist für das individuelle Leiden großer Frauenfiguren, wählt Marie Antoinettes Liebesleben als zentralen Angelpunkt: Ankunft der 14jährigen in Frankreich zwecks Heirat des französischen Thronfolgers Ludwig XVI., schleppender ehelichen Vollzug mit überfordertem Jung-Gatten, leidenschaftliche Affäre mit Axel Graf von Fersen, Tod durch Schafott.
Im eleganten Bühnenbild (Dorin Gal) aus mobilen, silberschimmernden Quadern, auf die abstrakte Bilder und Naturvideos projiziert werden, entfaltet sich der exquisite Tanzabend. Anna Yanchuk ist als Marie Antoinette exzellent besetzt. Optimal begleitet von Vladislav Koltsov als Ludwig XVI. und Asher Smith als Axel Graf von Fersen changiert sie spielend zwischen Scham, Selbstvertrauen, Feierlaune, Amor fou, Gewissensbissen und Todesangst. Das Ensemble sprüht vor Energie und hat sich im letzten Jahr tanztechnisch gesteigert. Man dreht, springt und landet bombensicher (herausragend: José Flaviano de Mesquita Junior). Breuer fordert seine Kompanie mit halsbrecherischen Hebungen. Gelegentlich bricht er das klassische Bewegungsvokabular mit abgewinkelten Füßen und unterfüttert alles mit einem Schuss Sexappeal aus koketten Hüftschwüngen und lasziven Rumpfbeugungen.
Die Puff-Ästhetik der Kostüme (ebenfalls Dorin Gal), insbesondere der Tutus, welche die Vagina mit schwarzen Stoffflecken markieren, zählt zu den Widrigkeiten des ambitionierten Tanzabends. Als Minus entpuppt sich auch das Musikarrangement von Eduardo Boechat, dessen Genre-Mischmasch auf Dauer quält und der mit den Ohrwürmern „Je t’ aime“ und „Non, je ne regrette rien“ den Kitschbogen weit überspannt. Am meisten erschüttert jene Szene, in der die betriebsblinde Hofgesellschaft die Guillotine als moderne Erfindung bewundert und unter Gejohle deren Funktionstüchtigkeit probiert, indem sie Marie Antoinettes’ Lieblingspuppe spaßhalber köpft.
Peter Breuer: „Marie Antoinette“, Premiere am 8. Dezember 2012 am Salzburger Landestheater. Noch zu sehen am18. Dezember 2012, 6. Jänner 2013 und an 13 weitere Termine
Dieser Artikel ist ein Originalbeitrag für die Kleine Zeitung am 9. Dezember 2012.