Roland Rauschmeier durchbricht die Quadratur des Kreises und mischt Module aus vorhandenen Choreografien zu einem neuen Stück. In „Mash Up“ treten Milli Bitterli, Anne Juren, Philipp Gehmacher und Paul Wenninger gemeinsam auf und zeigen synchron eine ihrer Bühnenarbeiten im selben Raum. Ein Experiment, das im Rahmen des Minifestivals „Feedback“ im Tanzquartier neue Perspektiven für die performative Kunst eröffnet.
„Object trouvé“ nannten die Dadaisten, später auch die Surrealisten, einen, oft auf dem Misthaufen, gefundenen Alltagsgegenstand, den sie zum Kunstwerk erhoben. Der Markt erhob die Ironie später zum Geschäft. „Objects trouvés“ und „Ready Mades“ („gefundene“ Objekte, die bearbeitet oder auch nur signiert und so zum Kunstwerk geadelt worden sind) haben heute ihren Preis. Der in Wien lebende bildende Künstler Roland Rauschmeier transferierte das Prinzip der gefundenen und neu eingeordneten Objekte auf die Bühne der TänzerInnen und PerformerInnen. Schon früher hat Rauschmeier gezeigt, dass ihn Genregrenzen in der Kunst nicht interessieren und sich als Partner der Tänzerin Anne Juren, auch gern mit Tanz und Performance eingemischt und Tanz in bildende Kunst und diese in Tanz verwandelt. Für „Mash Up“ wagt er (und mutet KünstlerInnen zu), mehrere eigenständiger Choreografien zu einer einzigen Vorstellung zusammen zu mischen: „Mash Up – a readymade performance“ ist dennoch kein Brei geworden, sondern ein ästhetischer Genuss, ein vielfältiges Vergnügen, das Erinnerungen wach ruft und neue Horizonte öffnet.
Vier KünstlerInnen haben eigene Choreografien ausgewählt, um sie gemeinsam zu präsentieren. Milli Bitterli wählte „Was bleibt“, Projektbeginn 2004, Anne Juren erinnert an „Code Series“, 2005, Philipp Gehmacher zeigt einen Teil aus dem 2004 begonnenen Projekt, “Incubator“ und Paul Wenninger sorgt mit „Imbue“, 2007 für die nötige Bühnendekoration. Die Module aus den früheren Stück sind zeitlich und räumlich zu einem neuen Ganzen verschränkt. Wenn Rauschmeier auf die Begriffe „Ready Made“ oder „Object trouvé“ verweist, so tut er das voll Ironie, denn in Mash Up ist nichts zufällig gefunden und keinesfalls irgendetwas performativ zurecht geschustert. Das Bewegungsvokabular war da und wird strikt reproduziert – eine Seltenheit im Tanz, wo doch das einmal gezeigte oft für immer in der Versenkung landet.
Als ob die vier einander nicht kennen würden, arbeiten sie nahezu solipsistisch auf der Bühne, finden ihren Platz ohne einander zu stören (auch wenn Wenninger für „Imbue“ ungezählte Versatzstücke und Kostümwechsel benötigt), zeigen ihre Choreografie, die bekannt und doch wieder ganz neu ist. Wenn Gehmacher mit verzweifeltem Blick das Bühnenviereck umrundet, Anne Juren im Hintergrund mit ihrem Video tanzend in Kontakt tritt und Milli Bitterli sehr konzentriert ihre fließenden Bewegungen zeigt, dann muss die Zuschauerin Beziehungen herstellen und kann die Soli nicht mehr isoliert sehen. Zumal es ja auch Musik und Geräusche gibt, die dann nicht mehr zu einem einzelnen Solo gehören sondern für das gesamte Stück gelten. Die KünstlerInnen sind trotz ihrer physischen Präsenz hinter ihr Werk getreten.
So ein Mash Up, eine Collage quasi, kannte man bisher vor allem aus der Popmusik. Rauschmeier und die vier KünstlerInnen haben gezeigt, dass sich das auch für ein lebendiges Tanzarchiv eignen könnte. Rauschmeier nennt seine Konzept vorsichtig „ein Experiment“. Dieses Experiment ist überaus gut gelungen und einer Fortsetzung durchaus wert.
Mash Up, Konzept Roland Rauschmeier, mit Milli Bitterli, Anne Juren, Philipp Gehmacher, Paul Wenninger, 25. April 2013, Tanzquartier.