Multifunktionaler Perspektivenwechsel. „Frischer Salat, frische Kirschen…“, schallt es über den Bauernmarkt am Platz gegenüber des Grazer Opernhauses; „Frische Oper“ prangte vor einiger Zeit auf dem ehrwürdigen Gebäude, „Frischer Tanz!“ lautete die Ankündigung zu dem, womit 6 Mitglieder der Tanzkompanie des Hauses auf der Studiobühne das Publikum konfrontierte. Zum 3. Mal in dieser Art, also Tänzer als Choreographen.
Jedes Mal wieder für jeden ein mutiges Unterfangen: Sind sie, die normalerweise die Ausführenden von Ideen anderer sind, doch nun die Vorgebenden. Und sie stürzen sich auch dieses Jahr voll individuellem Engagement in das für sie frische Wasser. Sie tun es mit hoher Risikobereitschaft, denn keines der Themen ist ein nur plätscherndes. Dass nicht jeder Versuch hohe Wellen schlägt, liegt auf der Hand. Doch Aufmerksamkeit verdient dennoch jede einzelne dieser gleichermaßen unterschiedlichen wie kreativen Kurzprogramme.
So ergibt Albert Garcias „Generations“, das er im Programm mit „…wir gehen alle in dieselbe Richtung – geh mit Respekt und Gefühl“ kommentiert, schon durch diesen Denkansatz und die Kombination von gruppendynamischem Drive einer Spaßgesellschaft, kompromisslosem Erleben zu zweit und Haltlosigkeit als einzelner ein nettes, kleines, aber doch bezeichnendes Zeit-Kolorit.
Dass Claudia Fürnholzer bei ihrer Suche nach dem Wesen eines Individuums in „Bumm Bumm“ schnell an Grenzen stößt, können weder das faszinierende Anfangsvideo (Herwig Baumgartner) noch der „Schattentanz“ ändern. Norikazu Aoki, der Graz nun verlässt, kann ebenda noch einmal sein mitreißendes, dynamisch-akrobatisches Können (das freilich nicht sein einziges ist!) ausspielen. Er tut es mit Lust und zur Freude des Publikums. Noch weniger in neue Tiefe geht die Nabelbeschau und Selbstvermessung der Choreographie, dieses Thema, diese Gesten sind schon zu abgenützt.
Nicht wirklich in den Griff bekommt auch Bostjan Ivanjsic seine großen Themen im „Kopfkino“; selbst wenn der Beginn vielversprechend ist: Die absurden Bilder, die Bewegungen in ihrer glatten, zunehmend beängstigenden Zielstrebigkeit machen Alptraumartiges greifbar; mit viel Originalität wird die Störung im Geschehen durch die Linien auf der Leinwand unterschwellig angedeutet. Aber dann kommt immer mehr Blut ins Spiel, rohe Gewalt, Geknebelte als „Gewürm“ am Boden; die immer deutlicher dargestellte Realität ist in ihrer Direktheit zu einfach gestrickt, lässt dem Rezipienten keinen Raum. Die Geräuschkulisse (Ypatio Grigori) hingegen schmerzt zwar auch, aber bleibt abstrakt genug, um Denk- und Gefühlsanstoß zu sein.
Michál Zábavíks Grundintention den großen, ewigen Kreislauf zu vermitteln, ist nicht mehr als ahnbar („Staub/Dust“). Michael Munoz‘ Solo ist es hier, das am meisten überzeugt.
Eröffnet wurde der Abend mit „Free Bird“, einer Arbeit Challyce Brogdons: Eine choreographisch stringente Komposition über den Tanz als solchen, die viel Beachtung verdient: In ihrem klaren Aufbau, in ihrer wohl überlegten, Kompositionstechnik von Solopassagen, Duos und Gruppensequenzen. Die häufig klassische Bewegungsbasis ist tragender Faktor ohne Staub; das Zeitgenössische tänzelt funkelnd darüber.
Von ebenfalls bemerkenswert hoher, herausragender Qualität und humorvolle Kreativität : „Oscar and Me (Part I)“ von Michael Munoz. Verpflichtet der heutigen Medien- und Bilderwelt bedient er sich dieser in amüsierter Weise, und amüsiert sein Publikum - welchen Alters auch immer. Wunderbar eingesetzt diskret untermalend auch hier wieder das Video. Kongenial gerade auch hier, was die TänzerInnen des Ensembles bei der Darstellung leisten.
Wenn am Ende dieses Stückes schmunzelnd-stilgerecht dem Darbietungsformat entsprechend „to be continued“ auf die Leinwand projiziert wird, liegt ein „Please, go on“ auf der Zunge; eine Aufforderung, die – wenn auch in unterschiedlicher Weise – für das zugrundeliegende Konzept des Gesamtabends gilt.
Junge Choreographen Werkstatt, am 29. Juni in der Studiobühne Opernhaus Graz