Seit mehr als 20 Jahren ist Ohad Naharin Leiter und kreativer Kopf der israelischen Batsheva Dance Company. Mit seinen TänzerInnen hat er die Bewegungssprache „Gaga“ entwickelt, beruhend auf biodynamischem Training, höchster Flexibilität des Körpers und dem Wechsel von Ruhe und Bewegung, minimalen Gesten und dem rasanten Einsatz des gesamten Körpers. Auf diesem Prinzip baute er auch seine 2011 entstandene Choreografie „Sadeh21“ auf, mit der die Company im Tanzquartier zu Gast war.
„Sadeh“ bedeutet auf hebräisch, „Feld“ und diese (leeren) Felder beackern die TänzerInnen mit Solos, Duos, Trios und Gruppenbildern. Auf der weißen, hinten durch eine Mauer begrenzten Bühne stellen sich die einzelnen Mitglieder der 1964 gegründeten Company mit kurzen Solos vor. Auftritt, Bewegungsstudie, Abgang, der / die nächste kommt. Kraft, Präzision, Körperbeherrschung und Freude an der Bewegung sind zu sehen. Wie einen Episodenfilm schneidet Naharin die folgenden Sequenzen, die sich in wechselndem Licht (Avi Yona Bueno (Bambi)) und in wechselnder Besetzung aneinander reihen.
Kleine Geschichten sind zu sehen, Liebesduette und einsame Spaziergänger, zum Kampf gereckte Fäuste und fröhlich gestupste Hinterteile, Figuren werden gebildet und die TänzerInnen verharren für Minuten in absoluter Stille und Bewegungslosigkeit, nach „Aufnahmen“ in Zeitlupe folgen solche im Zeitraffer. Dann wieder führt er Bewegungsstudien vor: Eine Tänzerin ruft Zahlen in den Saal, zwei, zwei, eins oder zwei, eins, eins, eins. Die fünf Tänzerinnen auf der Bühne wissen, was sie zu tun haben. Sie ordnen sich zu Paaren und Solisten. Immer schneller wird die Ansage, bis das Quintett nicht mehr folgen kann und sich mit einem von der abgehenden Trainingsleiterin gerufenen „Fünf“ zur Skulptur zusammenbauen darf. Ruhepause.
Mitunter bewegen sich die Tanzenden entgegen der Musik, rasant zu einschmeichelnden Klängen von David Darling oder Brian Eno, gelassen, nahezu schläfrig zu metallischem Lärm. Immer finden sich die Tänzer in brüderlicher Umarmung oder formieren sich zum Reigen während sie sich an den Händen halten. Gekonnt spielt Naharin über den Soundtrack (Maxim Waratt) auf dem Gefühlsklavier. Am Ende wird die Mauer, in weißes Licht getaucht, zum Sprungbrett. Von hinten klettern die Tänzerinnen hinauf und lassen sich spektakulär auf die weichen Matten fallen. Immer wieder, bis der auf die Wand projizierte Abspann abgelaufen Ist. Um die wohlige Betroffenheit nicht zu stören, kommt das Ensemble nicht wieder, um den Applaus entgegen zu nehmen. Die 21 Felder sind leer geblieben, eine andere Aussage als das Lob des Tanzes erschließt sich nicht, doch wir haben großartige TänzerInnen gesehen und unsere Herzen sind geknetet und weichgekocht.
Batsheva Dance Company: Sadeh21, 4. Oktober 2013, Tanzquartier.