Mit Nina Poláková und Roman Lazik fand die Herbstserie von John Crankos Ballett „Romeo und Julia“ zur Musik von Sergej Prokofiev eine großartige Fortsetzung. Vladimir Shishov gab zum ersten Mal den Unruhestifter Tybalt und drei frisch engagierte Corps-Damen durften als Lilienmädchen debütieren. Ein feiner Abend, der vom Publikum am Ende zurecht gewürdigt worden ist.
Der Szenenapplaus anfangs war allerdings etwas zäh. In einer Abonnementvorstellung sitzen halt auch viele Opernaficionados, die ohne Schöngesang keinen Abend genießen können. Aber endlich waren sie doch hingerissen, nicht nur von der subtilen Arbeit des Dirigenten Markus Lehtinen und des Staatsopernorchesters, sondern wohl vor allem von der Leistung der beiden Solisten, Poláková und Lazik. Freilich, eine Idealbesetzung ist die Erste Solotänzerin nicht. Zu stark sind die Bilder von dem blutjungen verliebten Mädchen, die sich in den Köpfen festgesetzt haben. Doch Poláková schafft es im Verein mit ihrem Partner, diese Bilder sukzessive auszuradieren und kann umso mehr überzeugen, je näher die Geschichte ihrem tragischen Ende rückt.
Technisch perfekt auch in den schwierigen Pas de deux, kann Poláková schon in der ersten Variation (Maskenball im ersten Akt) überzeugen. Ryan Booth ist Graf Paris, keine starre Mumie sondern offensichtlich ein verliebter Jüngling, dem nicht nur am Geld der möglichen Schwiegereltern liegt. Shishov als Tybalt macht beste Figur, fechtet wie der Teufel und stirbt herzerweichend. Einen schönen Tod liefert auch Davide Dato, der als Mercutio höchst lebendig und bestens gelaunt umher springt und in Dumitru Taran als Benvolio einen ebenso beweglichen Partner hat. Beweglich und frisch ist auch das Bühnenbild und auch die Kostüme wirken, obwohl sie vor mehr als 50 Jahren entworfen worden sind, begeistern immer noch. Jürgen Rose, der auch die unnachahmliche Ausstattung der Richard Strauss-Oper „Salome“ an der Staatsoper geschaffen hat, lebt und arbeitet heute 77jährig in München.
Zurück zum aktuellen Tanz. Drei frisch engagierte Damen – Elena Bottaro, Adele Fiocchi und Chloë Reveillon präsentieren sich als neue Lilienmädchen. Den Zigeunerinnen – Gala Jovanovic, Oxana Kiyanenko, Prisca Zeisel – sieht man ihre private Premiere nicht an. Kokett und keck umgarnen sie alles, was Hosen anhat und sind doch drei unterschiedliche Charaktere, eine frecher als die andere. Anita Manolova und Céline Janou Weder zeigen gemeinsam mit Zsolt Török zum ersten Mal ihre akrobatischen Talente im Faschingstanz.
Nicht zum ersten Mal ist Roman Lazik Romeo, doch so temperamentvoll, nahezu feurig, habe ich ihn nicht in Erinnerung. Jede Variation, jeder Pas de deux, ein Genuss , nicht nur der Technik wegen sondern auch des Ausdrucks. Liebesfreud und Liebesleid, Versöhnungswunsch und Rachedurst, namenloses Glück und grenzenloser Jammer – dieser Romeo ist nicht nur ein eleganter Danseur noble sondern auch ein atmender Mensch. Die anfänglichen Bedenken sind vergessen, schließlich geht es auch um den Tanz. Die ergreifende Geschichte ist eine Zugabe.
„Romeo und Julia“, Ballett in drei Akten nach William Shakespeare, Choreografie und Regie: John Cranko, Ausstattung: Jürgen Rose, Musik: Sergej Prokofjew. Zweite Folge einer Serie von 6 Vorstellungen am 3. November 2014. Wiener Staatsoper.
Nächste Vorstellung mit Mihail Sosnovschi(Romeo), Nina Poláková (Julia) und Eno Peci (Tybalt): 11. November , Staatsoper.