Michikazu Matsune und Maxim Ilyukhin, aus unterschiedlichen Kulturräumen stammend, nehmen den Themenkreis Fremdheit /Gleichheit ins Visier und gestalten mit Witz und Intelligenz einen abwechslungsreichen Abend. Das Alphabet hilft den beiden Künstlern von A wie Air bis Z wie Zero spielerisch zwischen unterschiedlichen Weltsichten und Gemeinsamkeiten zu turnen.
Schon 2013 hat der in Wien lebende Allroundkünstler Michikazu Matsune gemeinsam mit der Sängerin Clara Fury eine Performance gezeigt, in der Gegenstände und knappe Sätze eine andere als die gewohnte Bedeutung bekommen und auch die Verschiedenheit zwischen der Kanadierin Fury und dem Japaner Matsune eine Rolle spielt. „Night Will Come“ wurde bei ImPulsTanz 2013 mit großem Erfolg im Weltmuseum aufgeführt. Auch diesmal geht es um individuelle und kulturelle Unterschiede, um gemeinsame Aktionen und das wieder Lösen voneinander.
Mit großem Ernst, ebensolcher Ironie und stupender Mimik gehen Matsune und Ilyukhin an das Alphabet heran, zeigen Tafeln und kleine Gegenstände, die die Begriffe symbolisieren. Wenn Ilyukhin das Gehirn als Muskel definiert, castle auf muscle reimt und ein Spielzeugschloss mit Zinnen und Türmen hervorzaubert, hat er die Lacher bereits auf seiner Seite. Für J werden gerollte Zettelchen mit den persönlichen Witzen der beiden verteilt und aus „Nowhere“ wird durch simples Auseinanderrücken der Buchstaben „Now here“. Da darf gleichzeitig gelacht und gedacht werden.
Wenn sie sich einig sind, trägt der Kleinere (Matsune) den Großen keuchend rund um die Bühne, wenn ihre Ansichten und Interpretationen auseinander driften, schaut einer den anderen voll Staunen und Unverständnis an. Es wird Musik gemacht (natürlich von Tschaikowski) und Tolstoi (natürlich auf Russisch) zitiert, Matsune tanzt, Ilyukhin huldigt dem Sushism und verspeist in aller Ruhe, die Ungeduld des Partners ignorierend, seine sechs Fischstückerl. Ernsthaft wird dem Publikum eingeredet, Michikazu bedeute auf deutsch Friedrich und damit sei natürlich Nietzsche gemeint. Matsune ist also auch ein Philosoph. Schließlich erklärt ein kleiner goldener Alien was Xenophilia ist und der Unterschied zwischen „you“ and „me“ verschwimmt, aus „one of us“ wird „both of us“, worauf synchron in beiden Muttersprachen der Countdown bis Zero abschnurrt.
Matsune belehrt niemals mit dem Zeigefinger, trachtet seine Themen immer so aufzubereiten, dass keine Langeweile aufkommen kann. Esprit und Kreativität der stets mit Augenzwinkern arbeitenden Künstler können das Publikum fesseln und immer wieder überraschen. Die Ernsthaftigkeit der Performance zeigt sich in der minutiösen Vorbereitung, in der Perfektion der Show, im bruchlosen Zusammenspiel des Duos. Pures Vergnügen mit Substanz.
Als Ergänzung ist im Foyer des brut im Künstlerhaus eine von Matsune kuratierte Ausstellung zu sehen. Die Werke von Matsune und Ilyukhin und Freunden ermöglichen überraschende Perspektiven auf alltägliche Gegenstände.
Michikazu Matsune & Maxim Ilyukhin: „Objective Point Of View“, 20. 11. 2014, brut am Karlsplatz.
Weitere Vorstellungen am 21. Und 22. 11.2014.