„Wer sagt, dass Tanzen nichts für Jungs ist?“, fragte Regisseurin Corinna Eckenstein und suchte sich eine Gruppe von Boys zwischen 12 und 30 Jahren, die das Gegenteil beweisen sollten. Der erste Versuch war erfolgreich, und nun stehen sie zum zweiten Mal gemeinsam auf der Bühne. Inzwischen haben sich die Burschen nicht nur individuell weiterentwickelt, sondern sind auch als Gruppe zusammengewachsen. In „The Boys Are Back in Town“ agieren sie als heterogenes, und doch gut aufeinander eingespieltes Ensemble.
Bei ihrem ersten Stück „Boys don’t cry“ war der Tanz ebenso wenig Selbstzweck wie bei der neuen Produktion. Corinna Eckenstein und die Boys gehen vielmehr Fragen nach, die den Mann heute bewegen.
Diesmal nimmt die Boygroup mit „Väter und Söhne“ ein schier unerschöpfliches Thema mit entwaffnender Offenheit und Schonungslosigkeit in Angriff. Nach dem titelgebenden Opening-Song „The Boys are Back in Town“, mit dem sie auf die Bühne stürmen, schreiben sie in einer Videoinstallation alle Vokabel auf, die man mit dem diffizilen Verhältnis zwischen den Generationen verbindet: Wut, Angst, Sex, Betrug, Familie, Fehler, Wunde Schmerz oder Liebe.
Da werden die üblichen Peinlichkeiten angesprochen, die Halbwüchsige zwangsläufig (?) mit ihren Eltern erleben. In Bilderszenen mit Zitaten aus der Film- und Comicwelt, zu einem Soundmix aus Worldmusic, Pop und Electro (Sue-Alilce Okukubo) agieren die Boys zwischen Klischees und Persönlichem, zwischen Karikatur und realer Person.
Und jeder von ihnen erzählt seine Vatergeschichte, die in ihrer persönlichen Darstellung betroffen macht. Einfach schön, wenn „Flavour“ (Flavio de Pina Soares de Carvalho) so freudig über seinen Vater plaudert und „Pretty Boy“ (Ben Pascal) liebevoll die Marotten des seinigen beschreibt. Berührend, wenn der Rollstuhl-fahrende „Major“ (Adil Embaby) im Traum seine gesunden Beine wiederhat und doch nicht zum Ziel kommt, weil sein Vater sich abwendet. Schmerzvoll die Geschichte vom verlassenen Sohn „Lee“ (Yu Lei). Und bezaubernd, wenn „Rachel“ (Richard Schmetterer, der älteste der Gruppe ist über 30) die „Zwergensprache“ seiner kleinen Tochter vorführt.
Jede dieser Geschichten entwickelt sich in eine getanzte oder zumindest bewegte Szene, am eindrucksvollsten kommt dabei vielleicht „Dangers“ (Hisham Morscher) Geschichte zur Geltung. Nachdem er von seinem Vater zum Geburtstag eine Playstation geschenkt bekommen und auf seiner Party gleich damit zu spielen begonnen hatte, wurde er dafür geohrfeigt. Das Playstation-Kriegsspiel mit seinen konkurrierenden Parteien wird von der Gruppe dargestellt, begleitet von „Schokos“ (Joaquin Ylo) prägnantem Beatboxing.
Corinna Eckenstein (Theater Foxfire) hat sich als Regisseurin bei ihren starken und selbstbewussten jugendlichen Tänzern/Schauspielern durchgesetzt. Das Stück ist weit von Selbstdarstellung entfernt. Es ist nun unwichtig, ob die Geschichten persönlich erlebte oder erfundene Begebenheiten sind – sie überzeugen so oder so. Die Tanzszenen sind stringent choreografiert (Tanzcoach: Ákos Hargitay) und die Boys tanzen wieder mit großem Einsatz und viel Geschick. (Auch wenn es gerade bei den Tanzeinlagen noch einiges Potenzial zum Kürzen gäbe.)
Fazit: „The Boys are back in Town“ ein großartiges Stück zu einem heiklen Thema, das unter die Haut geht und gleichzeitig durch Witz und Tempo die nötige Distanz hält. Ehrlich und unsentimental spricht es Probleme an ohne zu psychologisieren oder gar zu moralisieren. Ein starkes Stück Theater für ein Publikum ab 13. Fortsetzung folgt hoffentlich.
Theater Foxfire: „The Boys are back in Town“, Uraufführung am 15. Jänner 2014 im Dschungel Wien, gesehene Vorstellung: 17. Jänner. Weitere Vorstellungen: 27. bis 31. Jänner 2014 sowie 1. bis 5. April 2014
Das Stück „Boys don’t cry“ ist von 12. bis 15. März wieder im Dschungel Wien zu sehen.