Mit dem dreiteiligen Abend "Ballett-Hommage" erweist das Wiener Staasballett seine Referenz an das klassische Ballett. Harald Lander zelebriert in "Études" die hohe Schule des klassisch-akademischen Tanzes. William Forsythe dekonstruiert das Ballettidiom und setzt es neu zusammen. Und die für das Wiener Staatsballett im Dezember letzten Jahres entstandene Choreografie von Natalia Horecna ist ein Beispiel für die heutige Grenzenlosigkeit tänzerischer Fantasien.
William Forsythes "The Second Detail" bereitet anscheinend sowohl dem Publikum als auch den TänzerInnen des Wiener Staatsballetts großes Vergnügen, denn wenn sie zum drängenden Beat der Musik von Thom Willems in höchster Präzision über die Bühne fetzen, dann breitet sich zuweilen auf ihren Gesichtern ein entspanntes, ja manchmal sogar glückseliges Lächeln aus. Bei aller Schwierigkeit, die schon allein das Tempo dieser Choreografie bereiten muss, scheint Forsythes Bewegungskanon mit seinem klassischen Schrittrepertoire und verschobenen Körperteilen bei den Ausführenden Tanzfreude zu verbreiten. Für die Zuseherin ist "The Second Detail" einfach aufregend anzusehen. Choreografisch und musikalisch konsequent entwickelt, gibt "The Second Detail" auch noch einen fast beiläufigen Kommentar zur Ballettgeschichte. Evoziert doch die Barfusstänzerin im wallenden, weißen Kleid, die gegen Ende des Stückes auftritt und sich zu den perkussiven Beats der Musik scheinbar unkontrolliert die Seele aus dem Leib tanzt, das Bild Isadora Duncans, die Anfang des letzten Jahrhunderts mit ihrem Tanz die Formalität des klassischen Balletts gegen emotionale Expressivität tauschte. Interessanterweise bleibt die Tänzer am Ende regungslos am Boden liegen.
Gerade diese Formalität ist der Kern von Harald Landers "Études". Er hat die Übungen einer klassischen Ballettstunde mit einer raffinierten Lichtregie für die Bühne inszeniert. Ähnlich ist Knudåge Riisager bei der Musik vorgegangen. Er hat die Klavierétuden von Carl Czerny zu Orchesterstücken arrangiet. Eine kongeniale Verbindung, die die Schönheit der klassisch-akademischen Tanzschule vor Augen führt. Das Ensemble schlägt sich bei dieser Vorführung an der Stange, im Zentrum und in der Diagonale hervorragend. (Wobei der eine oder andere kleine Schnitzer ist bei der geometrischen Anordnung förmlich ins Auge springt.) Die Solistin Kyoka Hashimoto bricht die klassische Strenge lediglich im romantischen Teil zugunster einer weichen und lieblichen Haltung, die von Roman Lazik als Partner mit verklärtem Blilck erwidert wird. Auch das Sylphidentrio Alena Klochkova, Eszter Ledán und Flavia Soares agiert konsequent im romantischen Modus. Die rein technische "Rolle" ist für den ausdrucksstarken Tänzer Mihail Sosnovschi eher ungewöhnlich. Er erfüllt sie mit Contenance und Konzentration. Dazu ist Denys Cherevychko mit seiner outrierenden Spritzigkeit ein interessanter Gegenpol.
Natalia Horecnas Zugehörigkeit zum Nederlands Dans Theater ist in ihrem Bewegungssprache deutlich sichtbar. Gleichzeitig verfolgt sie aber einen narrativen Ansatz und passt diesem auch die Tanzsprache an. Die Geschichte eines Suizidgefährdeten, der im letzten Moment noch den Absprung vom Strick schafft, gleichzeitig aber schon das Leben danach vor sich sieht, ist choreografisch und musikalisch bunt durchmischt. Das Ensemble hat sich in der dritten Aufführung diese Jenseits-Allegorie "Contra Clockwise Witness" bestens eingetanzt, Richard Szabó gab als Gin Man ein überzeugendes Rollendebut.
Wiener Staatsballett "Ballett-Hommage" am 8. Februar 2014 an der Wiener Staatsoper. Weitere Vorstellungen: 11. und 14. Februar