„Yes we can’t“ von William Forsythe und seiner Company mag eine Persiflage auf die bunte Welt der Popindustrie sein, das Stück kann aber auch als ein Kommentar auf die zeitgenössische Performance gesehen werden. In beiden Fällen schlägt Forsythe mit den gleichen Waffen zurück: Einerseits ist „Yes we can’t“ großartiges Entertainment, andererseits wird die Beliebigkeit auf die Spitze getrieben.
Zwischen Trash und Poesie, kindisch, hysterisch und tiefsinnig, pendelt die Nummernrevue hin und her, bunt, laut und scheinbar chaotisch. Mühelos balancieren die wunderbaren TänzerInnen auf dem Grat zwischen Ordnung und Chaos, halten auch bei diesem Atem beraubenden Tempo das Timing präzise ein und können jederzeit die schwierigsten Tanzkombinationen abrufen. Sie machen die scheinbar zufällige Aneinanderreihung von Aktionen für die ZuseherInnen aufregend und spannend, geben der Beliebigkeit Sinn und sind vollendet in der Unvollkommenheit, die das Scheitern mit sich bringt.
Denn das ist das Thema, das dieser Performance zugrunde liegt, und zwar das Scheitern laut Samuel Beckett: „Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern“. Davon erzählt auch der Monolog eines Tänzers etwa zu Halbzeit, der sich für die vielen Fehler entschuldigt und auch gleich ankündigt, dass es so weiter gehen wird.
Begonnen hatte es mit einer wahren Kakophonie. In Dreier-Reihen drängen die Tänzerinnen und Tänzer vor die Mikrofone. Jede/jeder kommt dran, um ein Lied zu intonieren oder zu krakeelen. Dann stürmt eine Gruppe in grellbunten Kostümen wie aus einer Zigeuneroperette auf die Bühne und damit eröffnen Reigen der Referenzen, die sich wohl für jeden Zuseher unterschiedlich erschließen. 2010 in Barcelona uraufgeführt, war „Yes we can’t“ in Wien in einer Neufassung und mit aktualisierten Verweisen zu sehen.
Bei dieser rasanten Show des „schlechten Geschmacks“ wird so manche Ikone arg gebeutelt. Da hoppelt etwa der Gekreuzigte über die Bühne und muss sich unter seinen Lendenschutz schauen lassen. Der Eisberg, der der Titanic zum Verhängnis wurde, robbt sich heran, ein Jimmy Hendrix mit riesiger Afro-Perücke tanzt hinreißend, und im Hintergrund müht sich eine einsame Pussy Riot mit den Mikrofonständern ab. Bis ein Fahnenträger eine überdimensionale Regenbogenfahne über die Bühne und über die Aktionen hinweg schwenkt – als Gruß an Putins Sotschi-Show. Gymnastik – statt Keulen werden Staubwedel geschwungen, eine Nummer mit Band, das sich kunstvoll verheddert und wieder aufgeknüpft werden muss. Ein Tänzer gibt sämtliche Waffengeräusche aus Videogames wieder, während „Penelope Cruz“ einen Kurztext über ihre zwei Pistolen in unzähligen Ausdrucksvarianten wiederholt. Welche Assoziationen gibt es zu Credit Card? Sehr viele, zum Beispiel Jimmy Carter und Ricardo. Silly!
Forsythe, der Erneuerer des klassischen Balletts, hat hier die Struktur eines Tanzstückes im traditionellen Sinn weitgehend aufgelöst – und auch das wird am Ende ironisch kommentiert indem die Show kein Ende zu finden scheint. Immer wieder taucht ein Tänzer, eine Tänzerin auf und scheint neu durchstarten zu wollen. Obwohl der Schluss doch schon angekündigt war, gibt es noch hier einen Monolog und dort eine sexy Stepptanz-Nummer. Doch dann verdunkelt sich langsam das Licht, verklingen die Klaviertöne (von David Morrow, der das bunte Treiben begleitet) und werden vom tosenden Applaus des Publikums abgelöst.
The Forsythe Company: „Yes we can’t“ (Neufassung), Tanzquartier in der Halle E am 4. April 2014
PS: Es wird wohl das letzte Wiener Gastspiel der Forsythe Company unter der künstlerischen Leitung von William Forsythe gewesen sein. Vor einigen Wochen hat er diese an seinen Nachfolger Jacopo Godani übergeben.