Chris Haring hat seine „Perfect Garden“-Serie abgeschlossen und mit „Imploding Portraits Inevitable“ eine neue Performance-Reihe begonnen. „Shiny, shiny …“, der Beginn, erzählt von der heute zwanghaften Selbstreproduktion, die per Smartphone in alle Welt geschickt wird und setzt diese Sucht nach Außenwirkung und Selbstdarstellung in Verbindung mit dem 1960er Jahre Star Andy Warhol und seinen „Screen Tests“-Filmen.
Reverenz und Referenzen. Der Titel der Eröffnungsperformance ist der Beginn des Songs „Venus in Furs“ der Rockband „Velvet Underground“, mit der Pop-Artist Andy Warhol Mitte der 1960er Jahre zusammen gearbeitet hat. Auch der Serien Titel – „Imploding Portraits Inevitable“ – referiert auf Warhol, der mit Velvet Underground Multimedia-Happenings – „Exploding Plastics Inevitable“ – inszenierte.
Schatten und Doppelbilder. Der gesamte Soundtrack von Andreas Berger (Rauschen, Dröhnen, Knistern, Kratzen und Keuchen, Bearbeitungen von „Venus in Four“, Fetzen von Zitaten aus Warhol-Filmen) beruht auf Vergangenem oder ist extrem künstlich, unwirklich, gespenstisch; Julia Cepp hat die Kostümierung der sechs PerformerInnen – Hotpants im Glitzerlook, Stiefel, Perücken – im Stil der 1960er geschaffen; auf der zweigeteilten Videowand erscheinen die Live-Bilder der Agierenden, mit zwei beweglichen Kameras schaffen Closeups ihrer Gesichter, Totalaufnahmen leuchten in poppigen Farben, verdoppeln, verdreifachen sich, werden ins Unendliche vervielfältigt. Auf einer zweiten Projektionswand tanzen die Silhouetten der PerformerInnen, wirken die Farbspiele als den Geist verwirrende Psychedelika, geistern Schatten durch die künstliche Welt. Wer tanzt mit wem? Die Wirklichkeit mit der Vergangenheit? Und wer führt? Die Schatten? Die eigenmächtig sich generierenden Videofeedbacks? Oder doch die TänzerInnen im Dämmerlicht der Bühne?. Sicher ist nur: Warhol steht nicht mehr zur Verfügung hinter der Kamera, die Darstellerin müssen ihre „Screen Tests“ selbst erzeugen.
Längst bin ich im Irrgarten der Bilder verloren gegangen. Wo, wer sind die lebendigen, die echten Menschen, was ist nur ihr Abbild, das mich narrt mit dem Abbild des Abbildes, in nicht endender Reihe. Bin ich noch ich oder auch bereits ein Schatten.
Screen Test wird zu Selfie. Das Publikum wird durch Zitate und Referenzen um 50 Jahre zurückgeworfen und , in eine Zeit, in der die Mehrheit noch gar nicht auf der Welt war. Was weiß dieses Publikum von Warhol und seiner Factory? Wie auch immer, auch wenn es die 15-Minuten-Stars, die sich immer wieder affenartig kratzen, juckt, es geht nicht um das Gestern, das dient nur als Transportmittel, wir sind im Heute. Nicht Screen Test sondern Selfie ist angesagt.
Auch die Mittel sind heutig: Mit der perfekt eingesetzten Technik (Lichtdesign und Szenografie: Thomas Jelinek, Technik Video: Michael Loizenbauer) kann man auch ein Publikum bei Laune halten, für das die nur noch auf dem Kunstmarkt lebendigen Kultfigur nichtmehr als ein Mythos ist. Die Tänzer (Luke Baio, Arttu Palmio und Tänzerinnen Stephanie Cumming auch choreografische Assistentin, Katharina Meves, Anna Maria Nowak und Karin Pauer) agieren solipsistisch oder synchron, rücken ihr Outfit zurecht und sorgen sich um ihr Videofeedback. Warhols serielle Kunst grüßt von der Videowand.
Melancholie und Konfusion. Die optimierte Vergangenheit, so ganz gegenwärtig, macht mir mehr Angst als sie unterhält, obwohl die Bewunderung für die technische Brillanz des gesamten Environments wie der TänzerInnen sich auch ihren Platz sucht. Eindrucksvoll ist diese Performance in jedem Fall. Chris Haring ist immer auf der Höhe der Zeit, sein Blick auf die Gesellschaft und ihr Verhalten hat die Schärfe eines Röntgenstrahl und er zeigt, was er sieht. Ohne ein Urteil abzugeben, mit den Mitteln (und Mitarbeitern) die er perfekt nützt. Es muss an der Beschleunigung, die uns alle voran treibt, liegen, dass die Darbietung von Serie zu Serie (Posing Project, Perfect Garden) diffuser, unwirklicher, verwirrender wird. Am Ende löst sich alles auf, die Musik verhallt, die Schatten verblassen, die Farben ergrauen, die TänzerInnen verschwinden. Was bleibt ist Melancholie und Konfusion.
Liquid Loft /Christ Haring: „Shiny shiny … Imploding Portraits inevitable". Uraufführung am 22. Jänner 2015, Tanzquartier
Teil II der Serie "Imploding Portraits Inevitable" wird im Rahmen von ImPulsTanz am 25. April 2015 im Casino am Schwarzenbergplatz gezeigt. Weitere Vorstellungen: 5. bis 9. April, 12., 13. Mai 2015.