Mit teilweise neuer Besetzung ist das Ballett „Ein Reigen" von Antony McDonald (Ausstattung) und Ashley Page (Choreografie) wieder im Repertoire der Volksoper. Das Wiener Staatsballett tanzt die Szenen aus der Wiener Gesellschaft an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert mit mehr Verständnis für die bekannten Figuren und die Intentionen des Choreografen.
Eingetanzt, könnte man sagen. „Ein Reigen“ ist jetzt fast ein Jahr nach der Premiere, tatsächlich zu einer erotisch flirrenden Kette geworden und nach der Enttäuschung bei der Uraufführung zeigt auch das Publikum Verständnis für die leicht erkennbaren Personen und ihre wechselnden Verwicklungen und Freude an den komplizierten und präzise ausgeführten Pas de deux.
Im Kern ist es ja nicht wichtig, wer da wer ist, ob Gustav Mahler (Eno Peçi) auf der Couch liegt oder Arthur Schnitzler selbst (Robert Gabdullin, der zugleich den bedrohlich um den Reigen geisternden Tod tanzt), dessen gleichnamiges Bühnenstück als Inspiration gedient hat. Man erkennt die Frivolität dieser Gesellschaft, aber auch den Schmerz, den dieser Tanz auf dem Vulkan manchen bereitet. So ist der Höhepunkt dieses mitunter recht fröhlichen Ringeltanzes die tragisch endende Liebesbeziehung zwischen Mathilde Schönberg (Nina Poláková), der Schwester Alexander Zemlinskys (sehr elegant und zurückhaltend Alexis Forabosco), und Richard Gerstl (gelungenes Rollendebüt von Greig Matthews). Die beiden werden (nicht nur im Ballett sondern tatsächlich) von Arnold Schönberg (Roman Lazik) in flagranti ertappt. Der Kinder wegen entsagt Mathilde ihrer Liebe und bleibt bei ihrem Mann. Richard Gerstl erhängt sich, nachdem er den Großteil seiner Gemälde verbrannt hat. Der emotionale Gehalt in den expressiven Pas de deux des Ehepaars Schönberg und des Liebespaares Richard / Mathilde ist aufregend, bewegt auch das Publikum. Die intensive Gestaltung des ehelichen Pas de deux durch Polakóvá und Lazik lassen wünschen, dass das gesamte etwas zerflatternde zweiaktige Ballett nur dieser fatalen Dreiecksgeschichte gewidmet wäre.
Kalt allerdings lässt das Duo Wally Neuziel / Egon Schiele. Maria Yakovleva , die die Rolle von Maria Alati (Premierenbesetzung an der Seite von Mihail Sosnovschi) übernommen hat, kann nicht wirklich überzeugen, lähmt möglicherweise auch Sosnovschi. Verschlingungen und Gehampel, keine Ahnung, was die beiden voneinander wollen. So lässt auch der Grippe-Tod Schieles kalt.
Aufwühlend hingegen der Schluss zur Musik von Maurice Ravel. Ein „Poème chorégraphique pour orchestre“ nennt der Komponist das für die Ballets Russes entstandene Stück, das jedoch von Sergej Djagilew nicht ästimiert worden ist, und lange Zeit in der Schublade liegen blieb. Die Paraphrase auf den Wiener Walzer endet mi verzerrten Rhythmen und Dissonanzen in Chaos und Gewalt. Die noble Wiener Gesellschaft, die Dichter, Maler und Ärzte sind nur noch Gespenster. Eine neue Zeit bricht an, wenn der große Krieg ausbricht.
Kurz davor waren sie noch alle fröhlich beisammen in Bertha Zuckerkandls Salon. Alena Klochkova gab als Gastgeberin ihr Rollendebüt, Natascha Mair erfreute in wechselndem Kostüm als charmantes oder entfesseltes Mädchen für alles. Begeisternd ist die musikalische Zusammenstellungen mit Werken aus der vertanzten Zeit und Übergängen von Béla Fischer. Gerrit Prießnitz geleitet das Volksopernorchester fließend und ohne Brüche durch den musikalischen Reigen. Der kraftvolle Schlussapplaus galt nicht nur ihm.
„Ein Reigen“, Ballett in zwei Akten von Antony McDonald und Ashley Page. 28. Jänner 2015, Volksoper.
Weitere Vorstellungen: 1.,15., 22. Februar; 3. März 2015.