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estanciaZündendes für Auge und Ohr. Nach 14 Jahren als Ballettdirektor am Grazer Opernhaus sollte eine „Tanzexplosion“, sein letztes großes Programm, diese Zeit beenden. Darrel Toulons Absicht wurde an diesem dreiteiligen Abend umgesetzt: Von der Tanzkompanie der Oper Graz in Hochform, von den drei Choreographen – als Gäste Ricardo Fernando und Vasco Wellenkamp -, dem musikalischen Leiter José Miguel Esandi und allen anderen beteiligten Künstlern.

In der Saison 2001/02 begann Toulons choreographische Arbeit in Graz am Schauspielhaus mit „La Libertad“, musikalisch also mit Salsa. In seiner Choreographie zum Abschluss, „Estancia“, ist es Musik von Alberto Ginastera, ist es die „pulsierende Kraft“ des Malambo, die ihn zu einem turbulenten Werk inspirieren, einem Wirbel von Bewegung in mannigfachem Bühnen- Rahmen, erweitert durch monumentale Videos (Herwig Baumgartner) und einer Farbenflut der Kostüme (Vibeke Andersen). Traum und Wirklichkeit greifen ineinander, Bedrohung wie Verlorenheit, Zuwendung und Kampf – ein Panoptikum des Lebens. In treibender Rhythmik umgesetzt in Solos, Duos und Ensembleszenen wie in lyrischen Passagen, die Zeit geben zum Eintauchen in Fein-Emotionales. Bilder, die einerseits in ihrer Vielfalt dem begeisterten Publikum kaum etwas an Theatermöglichkeiten schuldig bleiben und andererseits einen Teil dessen ausmachen, was Toulon, der panamerikanisch verwurzelt ist, mit dieser, seiner Welt in Verbindung mit einer musikalisch-tänzerischen Synthese der „westlichen“ Kultur schon lange als ein Programm zeigen wollte.tangata

Den ersten Part überließ er in „Tangata“ der Musik Astor Piazzollas und dem Choreographen Ricardo Fernando sowie (in diesem wie den darauf folgenden Choreographien) dem Licht-Künstler Guido Petzold, der auch diese Ebene darstellender Kunst an diesem Abend in besonderer Weise leuchten ließ: rund um das Schmerzhaft-Schöne, das im Tango Thema ist und von dem sich Ricardo Fernando akustisch leiten ließ, um es in kongenialer Intensität ins Visuelles zu zaubern; eingebettet in einem ebenso schlichten wie monumental wesentlichen Bühnenbild (Vibeke Andersen), das den hier (vor allem) realisierten Bühnen-Tanz-Tango respektive den TänzerInnen die Basis gab, von der diese dann – getragen von choreographischer Kreativität – abheben konnten. Sehr nachvollziehbar also, dass trotz des „Arbeitsauftrags“ des Chefs an seine beiden Gastchoreographen, mit acht bis zehn seiner TänzerInnen Stücke zu erarbeiten, beide jeweils auf die gesamte Kompanie zugriffen. Nachvollziehbar auch, dass Ricardo Fernando, der schon zahlreiche Werke mit Elementen des Tangos schuf, die Tatsache, in Graz erstmals ein großes Orchester live zur Verfügung zu haben, nicht nur sehr zu schätzen weiß, sondern dass eben dies wohl auch ein weiterer Grund für die Entstehung dieses Tanz-Höhepunkts gewesen ist. Einer, der im Zusammenspiel aller hier eingesetzter theatralen Mittel, unterstützt von nahtloser Dramaturgie (Helge- Björn Meyer), ein zwischen Ballett und Zeitgenössischem oszillierendes, mit klassischen Tangosequenzen verbrämtes, mitreißendes und heftig beklatschtes Gesamtwerk ergab.

fadoDanach konnte sich nur komplett Andersartiges behaupten – auch wenn die Themen dieses „Fado“ zum Tango gar nicht so verschieden sind: Emotionalität sind die Fäden auch seines Gewebes, allein, er ist von anderer Struktur und Farbigkeit – und vor allem ist er kein Tanz. Jedoch bei der Umsetzung eines Choreographen wie Vasco Wellenkamp wird Bewegung zum visualisierten Lied, Ton zu Tanz in all seinen atmosphärischen Tiefen. Und dass Carla Pires, eine der bedeutendsten Fado-Sängerinnen der Gegenwart, den Tanz als bereichernden Aspekt ihrer Kunst empfindet, ist spürbar, wird sichtbar in ihrem sich auf der Bühne selbstverständlichen Einfügen zwischen den TänzerInnen. Auf einem Balkon des angedeuteten (Bühnen-)Dorfplatzes live an den Gitarren: Bruno Mira, Pedro Pinhal, Rodrigo Serrão. Die einzelnen Lieder/Szenen sind Steine eines lebendig-nachdenklichen Diskurses über Ungewissheiten des Lebens; vielfältig in seinen primären Ausformungen und in dem, was sich zwischen den Zeilen respektive zwischen den Liedern/Szenen manifestiert - so, wie es sich seit je und allerorts bietet. Auch durch diese Unmittelbarkeit ist Szenenapplaus hin und wieder „unvermeidbar“, so eng dafür der Platz in der Dichte der Präsentation auch ist. Dass der Endapplaus (auch) für diesen Teil des Abends sich dann umso heftiger Raum verschafft, ist naheliegend. Eine Begeisterung, die beim anhaltenden Schlussapplaus kaum zu überbieten ist.

MALAMBO! Uraufführung 14. März 2015 in der Oper Graz. Folgevorstellungen: 18., 25. März sowie 10., 12., 17., 18., 23. Und 26, April.