„Romeo und Julia“ einmal anders. Mit ihrem Jugendensemble Groupe Grenade erzählt die Choreografin Josette Baïz die Geschichte mit TänzerInnen im Alter von Shakespeares Dramen-Figuren. In kongenialer Symbiose mit dem jugendlichen Drive auf der Bühne spielte das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter der Leitung von Niklas Willén Prokofjews Musik.
Ähnlich wir Royston Maldoom, der durch den Film mit den Berliner Philharmonikern „Rhythm is it“ den Community Dance in Deutschland und Österreich populär machte, hat auch mit zwei Filmen über die Arbeit von Josette Baïz mit Kindern und Jugendlichen aus unterschiedlichen sozialen Schichten in Südfrankreich begonnen. Darauf aufbauend hat Baïz seit Anfang der 1990er Jahre die Arbeit mit Kindern in Richtung Berufsausbildung weiterentwickelt – einerseits in der kontinuierlichen Arbeit mit der Groupe Grenade, andererseits mit der professionellen Compagnie Grenade, in der es für einige ausgewählte TänzerInnen, die der Jugendgruppe entwachsen sind, die Möglichkeit gibt ihre Tanzkarriere zu starten.
Die 22 TänzerInnen der Groupe Granade präsentieren sich in „Roméo et Juliette“ als ausgezeichnete Truppe, die die Liebesgeschichte packend interpretieren. Etwa 30 Kinder aus Niederösterreich, die seit Februar dieses Jahres von Diana Costa und Karin Steinbrugger gecoacht wurden, haben mit einem perfekt einstudierten Blumentanz an Julias Grab ihren großen Auftritt.
Baïz hat Prokofjews Score auf einen Akt von etwa 75 Minuten verkürzt und die Rollen der ProtagonistInnen auf mehrere TänzerInnen verteilt – Romeo und Julia, das ist bei Baïz kein Einzelschicksal, sondern eine gesellschaftliche Realität. Die Aktionen folgen der Handlung nicht immer in chronologischer Folge, sind aber deutlich zuordenbar. Dominique Drillot zeichnet für das wandelbare Bühnenbild aus mobilen Screens verantwortlich. Philippe Combeau hat weich fließende Kostüme kreiert, die die beiden verfeindeten Clans subtil identifizieren. Nur durch das Aufblitzen von roten Rock- und T-Shirt-Säumen werden die Capulets erkennbar. Julia sticht darin mit einem roten Kleid hervor. Mit ihrem „Stil Grenade“ hat Baïz ein dynamisches Tanzidiom entwickelt, das den zeitgenössischen Tanz mit Elementen aus Hip Hop, orientalischen und afrikanischen Tanz verbindet. Diese Kombination eignet sich hervorragend für die Kampfszenen, die wie eine B-Boying Battle beginnen, bevor sie zu einem heftigen Nahkampf werden. Auffallend sind die Reife, die Leichtigkeit, die Präzision und die Bewegungsfreude, aber auch der Ausdruck, mit dem diese jungen TänzerInnen die tragische Liebesgeschichte verkörpern. Der Impakt wird verstärkt durch poetische Texte, die die Gefühlswelt der Teenager reflektieren. Mitreißend und berührend.
Groupe Grenade: „Roméo et Juliette“ am 6. Juni 2015 im Festspielhaus St. Pölten