´Stadttheater` einmal ganz anders. „small metal objects“ des australischen Back to Back Theatre macht die Stadt zur Bühne, Passanten zu Statisten und die Menschen im Publikum zu Observierenden – gleichzeitig aber auch zu Observierten.
Flaniermeile als Bühne. Auf der Mariahilferstraße Ecke Neubaugasse steht eine Tribüne der Wiener Festwochen, auf der Menschen, nachdem sie Eintrittskarten vorweisen, Platz nehmen. Sie setzen Kopfhörer auf und lauschen den Stimmen und Dialogen zweier Freunde (Gary – Sonia Teuben, Steve – Simon Laherty). Derweil ziehen Passanten vorüber. Manche bleiben stehen und starren die Menschen auf der Tribüne an. Diese starren zurück. Einige zücken Kameras. Das befremdet die Fotografierten. Sind wir jetzt die Objekte? Oder sind es die, die uns anstarren? In Wirklichkeit starrt hier jeder jeden an.
Das kluge Spiel auf der „Stadtbühne“ wirft Fragen über Fragen auf: Aus dem Gewirr des täglichen Treibens versuchen die Zuseher, das Rätsel zu lösen, was denn nun inszeniert sei, und was alltägliches Geschehen. Das Stadtbild eines gewöhnlichen Dienstagabends um 18.30 Uhr auf der Einkaufsstraße erhält quasi durch das Eintrittsticket der Wiener Festwochen einen transformierten Kontext. Man versucht die „wirklichen“ Akteure, die Schauspieler des Back to Back Theatre, zu finden. Sind es die Zeitungsverkäufer gegenüber auf der Straße? Oder die Radfahrer, die versuchen unauffällig zu wirken und die Leute zu ignorieren, die von der Tribüne auf sie herunterschauen? Sind es die Jogger, die so verdächtig federnd mit den Hüften schwingen? Sind es die Skater, die stehenbleiben und herübersehen? Oder der Mann am Fahrrad, der telefonierend so tut, als wäre er Stefan Schmidtke, Schauspielchef der Wiener Festwochen?
Verfremdung. Während man die Komik des Alltags mit geschärftem Theaterbesucherblick ganz neu entdeckt, lauscht man den Dialogen. Etwas mehr von dem natürlichen Witz, den man hier sieht, hätte man sich bei der Inszenierung von Peter Handkes stummem Spiel „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ zu Beginn der Festwochen gewünscht. Die Festwochenbesucher suchen unter den Vorbeiziehenden nach Menschen, die zu den Stimmen von Gary und Steve passen können. Die Passanten wiederrum möchten partout herausfinden, was die Festwochenbesucher so intensiv beobachten. Die Blicke kreuzen einander. Man spiegelt sich im Anderen, man lacht.
Endlich entdeckt man zwei Gestalten gegenüber der Tribüne, das sind Steve und Gary. Ein Telefonanruf unterbricht das Gespräch der beiden, Alan (Luke Ryan) ist auf der Suche nach etwas. Er bietet viel Geld. Jetzt wird man Zeuge von einem Deal, der nicht klappen will, weil Steve und Gary andere Prioritäten setzen. Eine Psychologin und Freundin von Alan wird hinzugezogen, Carolyn (Genevieve Picot), die mithelfen soll, den Deal zu vollenden und "Ordnung" ins Geschehen zu bringen.
Das Back to Back Theatre ist ein Ensemble von Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, die mit ihren Arbeiten ein faszinierendes, außergewöhnliches Setting schaffen, das erlaubt, Bekanntes gänzlich neu zu entdecken. In Wien erregte das Ensemble schon mit „Ganesh versus The Third Reich“ (2012) zurecht Aufsehen. „small metal objects“ stellt nun dem „Götzen Mammon“ Menschlichkeit gegenüber und das Back to Back Theatre beweist auch mit dieser Arbeit, dass die Bezeichnung „Einschränkungen“ hier völlig fehl am Platz ist – uneingeschränkter kann Theater kaum sein.
Back to Back Theatre: „small metal objects“, 9. Juni 2015, Mariahilferstraße/Neubaugasse, Weitere Vorstellungen: 11. Juni, Infos: www.festwochen.at