Im niederösterreichischen Winzendorf, knapp 40 Minuten außerhalb von Wien, tickt die Zeit ein wenig anders. Am Fuße eines rötlich im Licht leuchtenden, mächtigen Steinbruchs ist eine kleine Westernstadt, inklusive „Hotel“ und „Saloon“, aufgebaut. Intendant, Regisseur und Architekt Martin Exel hat das Gelände der Karl-May-Festpiele-Winzendorf zu einem kleinen Westerndorf gemacht. Heuer spielt man „Winnetou im Tal des Todes“ - in einer frei für die Bühne adaptierten Fassung von Heike Metz.
Das Theater vor dem Theater. An den Anblick von „jungen Wilden“, die mit Cowboyhut und anderen Westernutensilien über den Platz der Westernstadt im Eingangsbereich zur Bühne fegen und unsichtbaren Feinden trotzen, gewöhnt man sich. Auch wenn diese bis an die Zähne bewaffnet sind. Von den Älteren, weniger wild anmutend, droht keine Gefahr: Diese lassen sich die typische Kost munden – üppige Portionen von Gegrilltem und Pommes. So hat man Theaterstimmung, bevor die Vorstellung überhaupt ihren Anfang nimmt. Schließlich beginnt der Einlass zu den Zuschauertribünen. Ausgestattet mit Cola, Bier und Popcorn strömen gut gelaunte Horden auf das überdachte Gelände. Heute musste das Dach schon einen plötzlichen Hagelschauer während der Nachmittagsvorstellung überdauern. So überwiegen die Vorteile, denn der Nachteil der Überdachung ist, dass die mächtige Naturkulisse des Steinbruchs nur beschränkt sichtbar ist. Durch die Bühnenöffnung sieht man, dem Sonnenstand gemäß, Wolken, blauen Himmel oder das Untergehen der Sonne und einen Felsen im Hintergrund.
Kulisse mit Mensch und Tier. Der Schauplatz ist ein freier Platz, das „Tal des Todes“, an dessen linker Seite sich eine Höhle und an dessen rechter Seite sich ein Fort befindet. Das Stück beginnt actionreich, mit einer spektakulären Verfolgungsjagd mit Reitern auf sechs Pferden und einer Schießerei. Ein Indianer wird erschossen und fällt aus mehreren Metern Höhe, bühnenwirksam in ein tiefes Wasserbecken. Die Inszenierung spart nicht mit filmreifen Stunts und sehr unmittelbarem Bühnenerlebnis: Direkt vor der ersten Publikumsreihe, fast in Greifweite und in vollem Galopp, reiten die Pferde unter aufwirbelndem Sand vorbei. Man ist mittendrin, "atmet" den Geruch der Tiere, spürt den Sand. Die Pferde verschwinden mit ihren Reitern in Durchlässen an den Bühnenseiten und tauchen auf der Rückseite, auf einer Brücke neben einem Felsen, wieder auf. Auch die Bühne spielt so manches Stückl: Ein rätselhafter, versenkbarer Felsen fährt, unter grollenden Geräuschen und Rauchentwicklung in die Höhe. Schatzräuber Leutnant Cummings (Michael Höfner) hat seine verborgene Mechanik bedient, um den gestohlenen Schatz, um den es in dem Stück geht, zu verstecken.
Ebenfalls korrupt ist Major Kingsley (ganz schön böse: Manfred Lorenz), der Cummings Verbündeter ist, diesen aber tötet, um den Schatz für sich zu haben. Die Taten schiebt er dem Indianerstamm in die Schuhe. Winnetou (ein Mann von der tragisch-melancholischen Gestalt: Sasha M. Riley) und Old Shatterhand (filmreif souverän: Max König) müssen unter Bewältigung von zahlreichen Hindernissen und Verwicklungen den Fall lösen. Auch fürs Herz gibt’s Futter, der schwermütige Winnetou verliebt sich in die junge Indianerin Weiße Taube (bezaubernd: Samantha Senn), die zwischen ihm und dem verärgerten Stamm vermittelt.
Insgesamt ist es eine unterhaltsame, actionreiche Inszenierung für junge – und junggebliebene - Karl-May-Fans. Kleine Figuren-Überzeichnungen - wie bei der sonnigen Schmetterlingsfängerin Mary (Stefanie Riegler) - verzeiht man da.
Martin Exel „Winnetou im Tal des Todes“, Karl May Festspiele Winzendorf, 15.8.2015. Weitere Vorstellungen 21. – 23. August 2015, www.festspiele-winzendorf.at