Die beiden Choreografen Georg Blaschke (M.A.P. Vienna) und Hubert Lepka (Lawine Torrèn) ließen sich von Hieronymus Boschs „Weltgerichtstryptichon“ inspirieren. Jeder für sich, und doch in Gedanken- und Erfahrungsaustausch miteinander. Die Ergebnisse sind höchst unterschiedlich ausgefallen, auch wenn sowohl Blaschkes Performance sowie Lepkas Video Weltuntergangsstimmung verbreitet – passend zum Aufführungsdatum.
„body & machinery“ von M.A.P. Vienna. Die Tänzerin beginnt mit einer Aufwärmübung – langsame Rückwärtsrolle, auf dem Boden Räkeln. Wenn sie dann im Kniegang in der Diagonale Richtung Publikum robbt, kippt das friedliche Bild und wird bedrohlich. Dazu trägt auch der Sound von Christian Schröder bei, dessen elektronischer Mix immer intensiver wird. Wie eine höhere Instanz wartet der zweite Tänzer (Juan Dante Murillo) auf der Seite des Aktionsraums, bevor auch er tätig wird. Dann ist die Musik verstummt und die Tänzer setzen die Maschinenteile – Bohrer, Baggerschaufeln, Waschmaschinentrommeln und Kleinteile –, die auf der Bühne verstreut liegen, neu zusammen (Objekte und Kostüme: Hanna Hollmann), erzeugen damit Geräusche. Aus den Lautsprechern tönt vereinzeltes Scheppern, Klirren, Krachen. Die Tänzer schleifen, positionieren und manipulieren einander – Bilder aus Boschs Gemälde evozierend, und nach und nach steigern sich die Geräusche zu einem repetitiven, unerträglich lauten Cluster. Die Performance der in schwarzen Anzügen gekleideten Tänzer Mirjam Klebel und Juan Dante Murillo ist kompromisslos, hart und sehr präzise. Die Gänsehaut habe ich nicht nur wegen der eisig kalten Halle – und die Halloweenstimmung soll sich im zweiten Teil noch steigern.
„timor et tremor“ von Lawine Torrèn. Bei der Erarbeitung der „Bosch Experience“ haben Blaschke und Lepka unter anderem einen „Outdoor-Workshop in einem Waldstück bei Moosdorf“ veranstaltet. Dort wurde auch das Filmmateriel für Lepkas Video gedreht: eine Naturfilm mit einer Tänzerin (Barbara Földesi) zu Kompositionen der Renaissancezeit von Orlando di Lasso und Tomás Luis de Victoria sowie zu Klängen von Katharina Klement. Auf der mobilen Videowall, die mit hohem Tempo durch die ehemalige Expedithalle geschoben wird, schmust die Tänzerin in Zeitlupe mit einer niedlichen Ziege, räkelt sich im Moos, windet sich im schlammigen Wasser. Der Baggerschaufeln, die in „body & machinery“ als ausrangierte Teile Verwendung finden, sind in „timor und tremor“ nun im Einsatz: Ein Baum wird mit einem Bagger entwurzelt und mit voller Wucht in einen Eisteich gerammt. Schließlich hängt die Ziege kopfüber ins Bild, das Blut tropft langsam über ihren Kopf. Der Film ist von einer perfiden Schönheit, die Unschuld verspricht, und Abgründe aufzeigt. Die Tänzerin vor der Leinwand scheint das schwelende Unheil vorherzuahnen – ihre Aktionen fügen sich als weitere Ebene, als zweites Narrativ in den Film ein.
Zwei eindrucksvolle Arbeiten, die zwar nur entfernte Anleihen am Ausgangspunkt nehmen, denen es aber gelingt, die Stimmung des „Weltgerichts“ auf Körper, Objekte, Bewegung und Film zu übertragen. Schlicht und ohne Pathos.
M.A.P. Vienna / Lawine Torrèn: „The Bosch Experience part II“ am 31. Oktober 2015 in der Expedithalle der Ankerbrotfabrik in Zusammenarbeit mit der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien.
(„The Bosch Experience ist als Trilogie konzipiert. Part I fand bei ImpulsTanz 2015 statt)