Pin It

EstherBalfeDer Jupitermond wandert wieder im Kunsthistorischen Museum. In der „Ganymed“-Serie teilen sich zeitgenössische darstellende Künstler die Bühne mit den Bildern vorangegangener Epochen der opulenten Gemäldegalerie. In zehn Stationen werden Kurzperformances mit Referenz zu einem Exponat gespielt und eröffnen damit neue Perspektiven. Ein schöneres „Theater“ ist wohl kaum vorstellbar.

Die kehlige Stimme von Mani Obeya singt vom Schicksal eines Flüchtlings. Er ist auf der dunklen Seite, einer, der seine Hoffnung verloren hat, der in seinem Kapuzenshirt versucht, seine Würde zu bewahren, ein neues Leben zu finden. Ihm gegenüber im hellen Licht tanzt sie (Esther Balfe), nennen wir sie Europa, im güldenen Kleid. Ihre Reaktionen sind ambivalent, nervös, unsicher. Doch als sich der Fremde nähert und sich in ihre Richtung aufmacht, weist sie ihn mit einer Geste klar zurück. „Lampedusa“ heißt die Miniaturperformance zu dem Gemälde „Traum des Hl. Josef“ von Daniele Crespi.Federspiel

Ein paar Säle weiter erzählt der Pianist Marino Formenti seine Eindrücke über das „Bildnis eines Jünglings vor weißem Vorhang“ (Lorenzo Lotto), bevor er das Publikum einlädt, sich auf Matratzen zu legen und den Liebesliedern, die er auf dem Klavier spielt, zu lauschen. Zur „Hirschenjagd des Kurfürsten Johann Friedrich“ von Lucas Cranach spielt das Bläserensemble Federspiel überaus launig auf: „Iss ja nur ein Tier“ lautet der Titel. Catch-Pop String-Strong alias Rina Kaçinari und Jelena Poprzan stellen in ihrer Musikperformance „The Higher You Rise …“ den Fall des Luzifer nach („Erzengel Michael stürzt die abtrünnigen Engel“ von Luca Giordano). In ihrer großartigen Verkörperung eines Textes von Olga Grjasnowa outet die Schauspielerin Katrin Grumeth „Infantin Margarita Teresa im rosa Kleid“ (Diego Velázques) als „Kleines Ungeheuer“, zu dem sich das Kind durch die streng-formale Palastetikette entwickelt.

KatrinGrumethAn dem Abend, als ich den Parcours besuchte, waren einige Stationen abgesagt worden, die Stars Angelika Kirchschlager und Sylvie Rohrer fehlten. Aktionen in kleineren Räumen waren aufgrund des dichten Zuschauerstroms trotz mehrmaliger Wiederholungen der einzelnen Performances schwer zugänglich oder einsehbar. Das beweist gleichzeitig die hohe Akzeptanz, die die Serie („Ganymed Boarding“ 2010/11, „Ganymed goes Europe“ 2013/14) im Kunsthistorischen Museum erreicht hat. In der aktuellen Inszenierung „Ganymed Dreaming“ der Regisseurin Jacqueline Kornmüller fühlt man sich von einer traumhaften Atmosphäre umhüllt, die diesen Museumsbesuch wohl unvergesslich macht.

„Ganymed Dreaming“ im Kunsthistorischen Museum, gesehene Vorstellung am 4. November. Weitere Vorstellungen: 11., 18. und 28. November, 2., 9. und 16. Dezember 2015