„What kind of animal is?“, fragen Elio Gervasi und seine fünf Tänzer, wenn sie in ihren Bewegungsstudien soziale Verhaltensmuster auf den Plan rufen. In intensiven Bewegungsstudien entwickeln die Tänzer ihre Einzel- und Gruppenaktionen auf der Bühne, während das (menschliche) Herdenverhalten dahinter auf einer Videowall thematisiert wird.
In einem riesigen Wellenbad schaukeln dicht gedrängt tausende Besucher fröhlich in ihren Schwimmreifen. Davor agieren zwei Tänzerinnen in einer großartigen Kontakt-Improvisations-Sequenz. Yukie Kojo und Alessandra Ruggeri sind miteinander verbunden, manipulieren und dominieren einander. Es ist ein respektvolles Miteinander, aber auch ein kompetitives Gerangel, das die beiden meisterlich beherrschen, ein Wechselspiel von Sieg und Niederlage, ein Ritual gegenseitiger Abhängigkeiten. Anziehung und Abstoßung ist ein durchgängiges Motiv in den knapp einstündigen Bewegungsassoziationen, die immer wieder an Verhaltensmuster von Tieren erinnern. Etwa wenn Yun Yeh sich wie ein Klammeraffe an Hannah Timbrell hängt, der es nicht gelingt, die zierliche Tänzerin abzuschütteln. Oder wenn Koji mit einer Kartonrolle auf dem Arm wie mit einem Elefantenrüssel durch den Raum robbt.
Wenn im Hintergrund das beglückende Gemeinschaftsbad durch ein Video mit Szenen vom geschäftige Kommen und Gehen von Menschen in einer Großstadt abgelöst wird, werden die scheinbar zufälligen Begegnungen auf der Bühne zu Ritualen. Einzelne werden aus einem Gruppenverband ausgeschlossen, oder in einen Kreis eingeladen. Eine wird wie von Magneten zwischen zwei Gruppen hin und hergezogen und kann doch bei keiner andocken. Am Ende bleibt jeder/jede für sich. Die Tänzer sind zu Posen „gefroren“, deren Umrisse auf der Videowall nachgezeichnet und durch Linien miteinander verbunden werden. Die dadurch entstehenden Felder werden nach und nach schwarz gefärbt, in denen die Tänzer verschwinden. Löscht Stillstand das Individuum aus?
Elio Gervasis abstrakte Bewegungsstudien lassen dem Zuschauer jede Freiheit zur Interpretation. Dass die von ihm eingesetzte, sehr offene, choreografische Matrix „funktioniert“, ist vor allem das Verdienst der Tänzer (neben den bereits zuvor Erwähnten wirkte auch Dominik Feistmantl mit), allen voran Yukie Koji, die mit ihrer Präsenz und Dynamik dem Geschehen immer wieder den richtigen „Dreh“ gibt.
Tanz Company Gervasi: "What kind of animal is?" am 12. Dezember 2015 im Tanzquartier Wien