Ein interessantes chorografisches Experiment mit hypnotischem Effekt: dieses Auf- und Abwippen der Gruppe im regelmäßigen Sprungrhythmus; diese Formationen, die sich in einer streng durchchoreografierten Arbeit von Jan Martens zusammenfügen, auseinanderdriften und neu bilden; diese acht Tänzer, die dieses Gehüpfe in einer 70-minütigen Tour de Force mit solcher Nonchalance, Gelassenheit und gleichzeitiger Präzision ausführen, und ihm damit Sinn verleihen.
In die Schuhe gestiegen und auf geht’s. Die fünf Frauen und drei Männer nehmen frontal zum Publikum Aufstellung beginnen zu hüpfen, kleine sauts, die sich zwar im Tempo steigern, aber prinzipiell einförmig wiederholt werden – durch das ganze Stück hindurch. Die Füße die auf den Boden aufschlagen, geben den Rhythmus vor. Nachdem eine ganze Weile in der Linie gehüpft wurde beginnen sich die acht zu drehen, wechseln nach geometrischen Vorgaben ihre Plätze, ändern die Richtung, formieren sich zu einem kleinen Kreis, driften in zwei symmetrische Flügel auseinander, kommen wieder zu einem Cluster zusammen. Der Oberkörper und die Arme sind dabei bewegungslos, vereinzelt werden sich in der einen oder anderen Phrase dann doch noch in Bewegung gesetzt. Nach einiger Zeit verdunkelt sich die Bühne, Gitarrenmusik erklingt aus den Lautsprechern. Wenn es wieder hell wird, ist die Bewegungs-Synchronizität der Gruppe durchbrochen, der Rhythmus der Füße wird durch Fingerschnipser verstärkt. Doch die strenge choreografische Ordnung bleibt erhalten, bis zum Schluss, wenn das Hüpfen verebbt und eine horizontale Scheinwerferlinie die Körper von unten nach oben wie ein Scanner abfährt.
Mit „The Dog Days Are Over“ wirft der belgische Choreograf Jan Martens einen coolen Blick auf die Fitness-Manie, die aus menschlichen Körpern seelenlos funktionierende Maschinen macht. Die Tänzerinnen und Tänzer halten die physisch fordernde Aktivität mit ausdrucksloser Ausdauer durch, nie verraten ihre Mienen den Grad der Erschöpfung. Und doch hat ihre Konzentration, diese Choreografie möglichst fehlerfrei auszuführen, etwas Rührendes an sich. Wohl auch, weil das Grüppchen durch seine heterogene Erscheinung der Gleichförmigkeit der Choreografie quasi widerspricht. Die großen und kleinen, robusten und eleganten Tänzer in ihren schicken Workout-Klamotten, ihren Leggings, Shorts, Bustiers und bunten Kniestrümpfen werden durch das raffinierte Lichtdesign von Jan Fedinger ästhetisch bestens in Szene gesetzt. Immer wieder suche ich die kleine Tänzerin, deren Pferdeschwanz so wild hin und herpendelt, deren weißes Kleidchen neckisch auf- und abwippt, und ich ertappe mich dabei, wie ich im Rhyhtmus der Springer auf dem Sessel schaukle und somit am kollektiven Gehopse teilnehme.
Jan Martens: „The Dog Days are Over“ am 2. April 2016 im Tanzquartier Wien