Der Studiengang „Zeitgenössischer und Klassischer Tanz“ an der Musik- und Kunstuniversität Wien (MUK) mausert sich mehr und mehr zu einem Vorzeige-Beispiel für eine Tanzausbildung auf der Höhe der Zeit. Ein engagierter und künstlerisch orientierter Lehrstab holt das Beste aus den jungen Tänzern und Tänzerinnen heraus. Gastchoreografen erweitern das künstlerische Spektrum, sodass die Studenten bereits in der Ausbildung vielfältige zeitgenössische Spielarten erforschen können.
In vier sehr unterschiedlichen Choreografien stellten sich der dritte und vierte Jahrgang des Studienganges Zeitgenössischer und Klassischer Tanz an der MUK dem Publikum vor. Bemerkenswert, wie die jungen Tänzerinnen und Tänzer als harmonische Gruppe agieren und wie tänzerisch sie die unterschiedlichen choreografische Herausforderungen von Esther Balfe, Christina Medina, Georg Blaschke und Saju Hari umsetzen. Mit einer soliden technischen Grundlage machen sie sich unterschiedlichste Tanzschriften zu eigen.
Esther Balfes Spezialität ist es, bereits vorhandenes choreografisches Material für die Studenten neu zu arrangieren. Hatte sie sich im letzten Jahr „Schwanensee remixed“ vorgenommen, so fügte sie diesmal zwei Werke zusammen: „Duo“ von William Forsythe (1996) und „INdirIRGENDWO“, das Georg Reischl 2001 für das Ballett der Wiener Volksoper unter der Leitung von Liz King kreierte. Die Tänzerin Esther Balfe hat intime Kenntnis beider Arbeiten. Für den Abschlussjahrgang untersuchte sie die Grundprinzipien der beiden Choreografien als „case study“ und entwickelte daraus ein neues Ganzes mit dem Titel „Nebeneinander“, das durch seine komplexen Partner-Szenen und seine strukturelle Logik besticht. Ein anspruchsvoller Lehr-Ansatz, den die Studenten konsequent und überzeugend umsetzten. Die Sensibilität mit der die Tänzer aufeinander reagieren, wie sich Duette mit mehr oder weniger Körperkontakt entspinnen, wie sie plötzlich zu einer Gruppe in einer gemeinsamen Bewegungssequenz zusammenfinden, all das ergibt eine äußerst spannende Performance.
Auch Georg Blaschkes Choreografie „Thoracic Park“ ging eine fundierte Recherche voraus, in diesem Fall mit der Feldenkrais Methode. Die individuellen Soli, die die Tänzerinnen entwickelten, wurden dann in Partner- und Gruppenkonstellationen eingebracht. Blaschkes Arbeit ist subtil und attraktiv zugleich: durch die konsequenten Körperlichkeit, die der Choreograf bei seiner Aufgabenstellung und Auswahl des Bewegungsmaterials verfolgt und den feinen Humor, der immer wieder durchschimmert.
Christina Medina hat mit dem dritten Jahrgang unter dem Titel „Not so blue“ Tanzszenen zu unterschiedlichen Musikstücken kreiert, und steuerte damit ein unbekümmertes Modul in diesem hochkarätigen Programm bei. Dieses schloss mit einem zündenden Werk des jungen aus Indien stammenden Choreografen Saju Hari. Das choreografische Talent des vormaligen Tänzers in den Compagnien von Shobana Jeyasingh und Akram Khan, wurde bereits vom Royal Opera House Covent Garden entdeckt, für das er zwei Arbeiten kreierte. Schön, dass nun auch die Wiener Studenten Gelegenheit hatten mit ihm zu arbeiten, vertritt er doch eine hierzulande eher vernachlässigte Form des zeitgenössischen Tanzes. In seinem Stück sind die Tänzer dazu angehalten, mit dem rhythmischen Drive des Percussion-Beats von Patel Mukul mitzuhalten. Attacke pur – für Tänzer wie Publikum eine aufwühlende Sache.
MUK/tanzt. Performances des Studiengangs Zeitgenössischer und Klassischer Tanz am 7. April im Werk X