Ein Schubert ganz nah so wie in funkelnder Vielfalt – zu erleben in der Reihe „Tanz ganz nah“ auf der Studiobühne des Grazer Opernhauses. Der 3.Satz aus der Klaviersonate in E-Dur, D 459 bildete den Abschluss zu einem Reigen von zehn Schubert-Liedern, jeweils choreographiert von TänzerInnen des Balletts der Oper Graz sowie drei davon von deren Ballettdirektor Jörg Weinöhl.
Angelegt im Umfeld der Aufführung auf der Hauptbühne: „Und der Himmel so weit. ein Ballettabend für Franz Schubert“ (wir berichteten), macht dieses Programmangebot bereits grundsätzlich Sinn. Dass es zusätzlich zur qualitätsvollen Möglichkeit einer weiteren musikalischen Auseinandersetzung mit Schubert wurde, beruht auf der ausgezeichneten Interpretation durch die Sänger Tatjana Miyus, Yuan Zhang, Martin Fournier, Taylan Reinhard, David McShane und Wilfried Zelinka sowie durch Marcus Merkel am Klavier. Dass dieser Abend aber auch eine tänzerische Bereicherung besonders vielfältiger und dichter Art geworden ist, ist auf das Konzept einerseits und auf den individuellen Einfallsreichtum der Choreographen wie auf die gut disponierten TänzerInnen andererseits zurückzuführen. Berechtigter, nicht enden wollender Schlussapplaus daher nach einer guten Stunde, in der zwischen den eng getakteten Programmpunkten kaum Zeit zur Information im liebevoll-informativ aufbereiteten Programmblatt blieb.
Das „unplugged“ im ansonsten recht simplen Titel ließ freilich bereits auf das eine oder andere Spannungsreich-Überraschende hoffen. Und in der Tat ergab das Miteinander von Schubertschem Liedgut mit Spitzentanz und moderner Tanztechnik eine überzeugende und die Aufmerksamkeit uneingeschränkt erregende Kombination, „ergänzt“ durch eine Vielzahl an beachtenswerten Aspekten choreographischer Interpretationen:
Das fast jedem vertraute „Gute Nacht“ aus der „Winterreise“ wurde da etwa von Eleonora Pennacchini und Alberto Cissello in einem zum einen Teil widerspenstigen zum anderen Teil dem Contacten entnommenen Bewegungs-Repertoire choreographiert und getanzt und damit zeitgeistiger Unverblümtheit aufrüttelnd angenähert.
Emily Grieshaber ließ „ihre“ Tänzerin (Astrid Julen) Schuberts „Auf dem Wasser zu singen“ nahezu durchgehend auf der Spitze mit Blick zum Publikum interpretieren – die tänzerische „Intonation“ und „ Punktation“ reduziert auf das poetische Fließen der Armbewegungen; ein minimalistischer Höhepunkt für sich.
Einen anderen kreierte Arthur Haas zu „Ellens Dritter Gesang (Hymne an die Jungfrau)“: Der Schönheit, der sich der Zuhörer in wohliger Vertrautheit gerne hingäbe, setzt seine Choreographie nicht nur unerwartet schlicht-nüchternes Bewegen, Gehen, entgegen, sondern auch ebensolche, in Variationen präsentierte, überraschende Aktionen. Ohne dabei Inhaltliches zu vergessen: Das Vertraute, das Vertrauen bewirkt, aber auch - wie choreographisch von Haas durch Unerwartetes bewirkt, „enttäuscht“ werden kann: Tiefgang mit Augenzwinkern ist das Ergebnis.
Ganz anders etwa die Choreographie Jörg Weinöhls zu „Die Götter Griechenlands“: Da ist ein Flirren zartester Emotionalität, das sich im Fluss konzentriert gezügelter Bewegung visualisiert; eine, die die beiden Tänzer, João Pedro de Paula und Clara Pascual Marti, mit hingebungsvollem Einfühlungsvermögen und feiner Technik umsetzen.
Simon Van Heddegem ist mutig genug, sich der Sehnsucht per se zu widmen und diese zu Schuberts „Die Nacht“ realistisch und doch weitgehend von Gefühlsüberladung entfernt zu choreographieren; mit ein bisschen eingestreutem Schmunzeln einerseits und vor allem gepaart mit Zweifel, innerer Getriebenheit und Angst andererseits, gelingt ihm dies.
Mit Witz, ungewöhnlicher Dynamik und Einfallsreichtum: die Choreographie von João Pedro de Paula zum Adagio aus der 3.Klaviersonate in E-Dur, D 459 - klug als Endpunkt gesetzt.
Ballett der Oper Graz: „Mein Schubert-Lied unplugged“, Premiere am 23.April 2016 auf der Studiobühne der Oper Graz.