Die Welt, sie präsentiert sich in unschuldigem Weiß in der Installation von Lemm&Barkey. Allein, die visuell angeschnittenen Themen wie etwa ein auf hoher Metallstange sich drehender Stuhl, sie verwirren, fügen sich nicht schlüssig ein. Stellen sie doch ganz Anderes dar als die, wiewohl im Hintergrund, aber doch dominanten Art Mobile, bestückt mit unzähligen Porzellanteilen: zart und ungeschützt.
Ausgeliefert jedem Luftzug sind sie wie der weiße, durchscheinende Vorhang auch, der immer wieder die Begrenztheit der (Bühnen-)Welt markiert, und ebenfalls, im letztlich logischen Kontrast zum teilweise unerklärbaren, ungeliebten Unbeweglichen, dem unüberwindlich Harten, das widerspiegelt, was unsere Umgebung, unser Leben insgesamt und damit also die Gegensätzlichkeit ausmacht und hier Thema ist – zusätzlich zu dem der fokussierten Vergänglichkeit.
1986 gründeten Jan Lauwers und Grace Ellen Barkey die multidisziplinäre Needcompany in Belgien, seit 12 Jahren arbeitet Barkey mit Lot Lemm zusammen. Installationen stehen neben Design, Videokunst und Tanz im Mittelpunkt ihrer Projekte. Und das Spartenübergreifende ist auch in dieser Choreographie wesentlich.
Die Unsicherheit immer und überall, die Fragilität des Seienden und des Seins, sie manifestieren sich nicht nur im Bühnenbild, sondern in allen Kommunikationsebenen, deren sich diese Arbeit bedient (Idee und Choreographie: Barkey): Im auf den Vorhang projizierten Video, das im Wind flatternde Blütenblätter zeigt und sich gegen Ende ganz wunderbar über die Schlussszene legt. In der Interpretation von Gustav Mahlers Lied „Der Abschied“. So wird die Erwartungshaltung, dieses Lied zu hören, im Sinne von „nichts ist sicher“ enttäuscht, da nur einzelne, kurze Passagen vorgetragen werden. Und ganz besonders ist es der Vortrag selbst, die Interpretation Maarten Seghers', die einerseits Ungewissheit und Zerbrechlichkeit, Ankämpfen gegen Realität und Hilflosigkeit gegebenen Tatsachen gegenüber in eigenwillig subtiler Weise vermittelt und andererseits das Hauptthema des unumgänglichen Verabschiedens und Loslassens mit der trotz allem nicht sterbenden Hoffnung auf eine Form des „Weiters“ berührend nachvollziehbar macht, weil es vollkommen unsentimental verbindet - großartig.
Das, was noch am wenigsten über die Bühne kommt, ist die Kraft des Tanzes. Da fehlt es im Einzelnen an Kreativität, da fragt man sich, warum so viel Halt in tradiertem Formenmaterial gesucht wird. Das Argument, dass man sich bei all der gegebenen Unsicherheit an Vertrautem festhalten müsse, ist naheliegend, aber müsste nicht bemüht werden. So reduziert sich dieses Medium fast ausschließlich auf die Ebene der beweglichen Behübschung, was nicht dem Können der Tänzerinnen zuzuschreiben ist und daher umso mehr als Vergeben eines weiteren Potentials dieser Aufführung bezeichnet werden muss.
Eveline Koberg
Lemm&Barkey/Needcompany: "Forever" Uraufführung am 24. September 2016 im Orpheum Graz im Rahmen des Steirischen Herbst