Mit einer Aussicht auf das Jahr 2030 und einen Einblick in die Befindlichkeiten an der Schwelle zum Erwachsenwerden, läutete Corinne Eckenstein, die neue künstlerische Leiterin im Dschungel Wien, ihre erste Saison ein. Beide Eröffnungsproduktionen werden von einem bunten Mix von Wiener Darstellern mit unterschiedlichen (ethnischen) Backgrounds realisiert. Dahinter stecken Absicht und Haltung. So lebt das Kinder- und Jugendtheater Integration im besten Sinne vor: Tanz und Theater wirken.
Im Performance Parcours „Quartier 2030“ wurde das Publikum auf eine Führung durch das Museumsquartier eingeladen mit Haltestellen bei Installationen, Performances und Interventionen wie etwa die „Good News Box“, in der in einem Wettbewerb die guten Nachrichten gegoogelt werden; oder eine Befragung über die Verwendung von 1000 € bedingungsloses Grundeinkommen (offenbar sind wir 2016 noch nicht reif dafür, denn die häufigste Antwort lautete: reisen). Vor der Kunsthalle weist ein Wegweiser in alle Richtungen zum selben Ziel und einige Performer haben sich unter die Leute gemischt: als ratloser Tourist, picknickend, verträumt um die eigene Achse drehend oder auf den Strichen der Pflastersteine balancierend. Ein friedliches Bild des Zusammenlebens eigenwilliger Individuen. Unsere bezaubernde Führerin Ljubica erklärte mit fröhlichem Optimismus die Energieeffizienz und umweltfreundliche Bewirtschaftung des „Quartier 2030“ quasi als Musterstadt der kommenden Jahrzehnte: etwa mit seinen Mülleimern, die automatisch ihren Inhalt recyclen und mit Solarzellen ausgestattet sind, die abends die Laternen mit Strom speisen (also das müsste doch schon möglich sein?). Optimismus verbreitet auch „Die Brücke der Wünsche“, auf der wir unsere Wünsche mit Konfettis aka Sternschnuppen ins Tal regnen lassen konnten.
Es ist ein stimmungsvoller Spaziergang durch das Museumsquartier (Konzept: Corinne Eckenstein und Claudia Seigmann), der uns auch neue Winkel und Ecken entdecken lässt, etwa ein Zwischendach / eine Terasse, auf dem eine Tänzerin und ein Tänzer ein Duett zeigen. Und es ist ein hoffnungsvoller Ausblick auf eine soziale, umweltschonende Lebensweise, wie sie die junge Generation vorhat zu leben. Diese hätte wohl das Museumsquartier mit viel mehr Grünflächen ausgestattet, dort, wo jetzt Steine, Beton und Asphalt sind. Denn auch dieses Versäumnis beim Bau des MQ vor 15 Jahren fällt einem bei diesem Parcours auf. Jedenfalls ist Corinne Eckenstein mit "Quartier 2030" ein sympathischer Einstieg in die neue Saison gelungen, der auch durch eine kluge Einbindung der Zuschauer verbindend wirkte.
Bei ihrer neuen Produktion „Running Wild“ hat die Regisseurin Eckenstein mit sechs Kids zwischen 11 und 13 Jahren zusammengearbeitet, die sich mit dem Thema Erwachsenwerden beschäftigten, unterstützt von den TänzerInnen Maartje Pasman und Futurelove Sibanda. Die Texte stammen von den Kids, alle gemeinsam haben die Choreografien entwickelt. Dieser gruppendynamische Prozess ist sichtbar. Wie immer hat Eckenstein ihre Darsteller theaterpädagogisch sehr gut gecoacht – sie spielen, tanzen und toben mit uneingeschränkter Spielfreude, doch zum Thema Pubertät und Erwachsenwerden ist ihnen nicht wirklich etwas Neues eingefallen. Das Ergebnis ist also keine Seelenschau, sondern gemäß dem Titel mehr eine Actionshow. Über 75 Minuten lang sind quasi alle ständig in Bewegung – da hätte die eine oder andere ruhige Szene Darstellern und Zuschauern sicher gut getan.
"Quartier 2030" am 29. September 2016, "Running Wild" am 28. September im Dschungel Wien. Weitere Vorstellungen am 11., 12., 14. und 15. Oktober, 31. Dezember 2016 sowie am 30. und 31. Jänner und 1. und 2. Februar 2017