Ballettdirektor Enrique Gasa Valga reüssierte auf der Bühne des Tiroler Landestheaters mit der Vertanzung einer Tragödie, die Ende des 19. Jahrhunderts mehr oder weniger das Ende der Donaumonarchie in sich barg. Das Geschehen um den Doppelselbstmord des Kronprinzen Rudolf von Habsburg und seiner Geliebten Mary Vetsera lieferte den dramatischen Stoff für das Libretto (Katajun Peer Diamond) von Gasa Valgas neuem Tanzstück.
Gasa Valgas Tanzstück versucht eine Reminiszenz an die österreichische Politik beim Scheitern der Monarchie durch das persönliche Drama des Kronprinzen darzustellen. Ähnlich wie in Kenneth MacMillans „Mayerling“ scheitert auch Gasa Valgas Choreografie an der Schlüssigkeit der Handlung. Die Choreografie ist eine Zusammenstellung aus 16 Szenen mit einem Prolog. Diese Aufteilung ist aber für den Zuschauer ohne Blick in die Synopsis sinnmäßig nicht durchsichtig. Die Verlesung von Abschnitten aus Akten und Briefen, die mit dem Fall „Mayerling“ verbunden sind und deren Videoprojektion, sollten wohl zur Aufklärung der Handlung führen.
Die schwierige psychologische Konstitution des Thronfolgers Rudolf in seiner letzten Lebensphase bildet den Kernpunkt der Choreografie. Der italienische Tänzer Jeshua Costa interpretierte die Rolle des Prinzen auf eine innige, vieldimensionale, spannungsvolle Art. Die Todessehnsucht ist signifikant für den Hauptcharakter, da Rudolfs Selbstmord sich als „Signatur der persönlichen Freiheit" verstehen lässt. Der Tod im großen Pas de deux stellt die metaphorische Befreiung vom Zwang der Gesellschaft für Rudolf und Baroness Mary Vetsera (Alessia Peschiulli) dar.
Choreografisch dominieren die Gruppenszenen mit Akzenten und Elemente aus den Gesellschaftstänzen des 19. Jahrhunderts. Die Tanzcompany des Tiroler Landestheater stellte wieder ihr Können durch eine gute tänzerische Leistung unter Beweis.
Rudolfs Wille nach Freiheit und politischer Mitbestimmung in jeder Hinsicht ist zentral und wird nicht nur im gängigen Tanzvokabular des Choreografen, sondern auch in dem schlichten Bühnenbild von Helfried Lauckner kodiert.
Zentrales Element des Bühnenbildes ist ein überdimensionaler Vogelkäfig, der nicht nur das Interesse Rudolfs in der Vogelkunde, sondern auch bildhaft die gesellschaftlichen und emotionellen Zwänge des Prinzen thematisiert. Das Bühnenbild wirkt verwüstet und bleibt das gesamte Tanzstück über statisch. Die wunderschönen und simplen Kostüme von Eva Praxmarer korrespondierten in Schwarz und Weiß farblich mit dem dunklen Bühnenbild.
Musikalisch gestaltet ist das Tanzstück mit Musik großer Meister der Tonkunst wie Franz Liszt, Gustav Mahler, Dmitri Schostakowitsch und Alfred Schnittke. Obwohl nicht live gespielt, schafft die Musik jenes zu erzählen, was der Tanz nicht kann. Noch ein überraschender eklektischer „Österreichbezug“ ist durch Falcos Stimme mit Bob Dylans Lied „It`s All Over Now, Baby Blue“ in der Finalszene verwirklicht.
„Mayerling“, Uraufführung am 22. Oktober 2016 im Tiroler Landestheater. Weitere Vorstellungen: 4., 11., 17., 20., 23. November; 1., 9., 14. Dezember; 20., 21., 28. Jänner und 5. Februar 2017