In seinem Kellertheater am Franz Josef Kai setzt Alexander Wächter auf Gegensätzliches. Nach seiner Inszenierung von „Mein Kampf“ unternimmt er nun einen Ausflug in die musikalische Wiener Kabarettgeschichte. Der Schauspieler gräbt Lieder von Armin Berg, Hermann Leopoldi, Gerhard Bronner und Georg Kreisler von der Zwischenkriegszeit bis zur jüngeren Geschichte aus und lässt damit eine (fast) vergessene Epoche heimischer Komik und (Selbst-)Ironie wieder aufleben.
„Liebevoller Zynismus“ lautete die Kabarett-Philosophie des letzten Jahrhunderts. Die im Programm "Komik & Noten" vorgestellten Künstler mussten (mit wenigen Ausnahmen) vor den Nazis in die USA fliehen und sind nach dem Krieg wieder zurück nach Wien gekommen. Ob Armin Berg nun „schon alles ganz egal“ ist oder glaubt, er sei „nicht ganz normal“, in seinen Texten bricht sich der bürgerliche Durchschnittsösterreicher Bahn. Er konnte in der Nachkriegszeit nicht an seine früheren Erfolge anknüpfen. Das gelang hingegen Hermann Leopoldi, der in seinem Ansatz deftiger („In der Barnabitengassen“) oder skurriler war, etwa mit seinem Klassiker „Schnucki, ach Schnucki (fahr ma nach Kentucki)“. Auch der wesentlich jüngere Gerhard Bronner, der in den 1980er Jahren aus steuerlichen Gründen ein zweites Mal ins amerikanische Exil ging, besang den Wilden Westen in "Der jüdische Cowboy". Der bissigste von allen war wohl Georg Kreisler, mit „Tauben vergiften“, „Bidla Buh“ oder „Der Ausländer“. Das Thema von Pirron & Knapp „Das Tröpferlbad“ wird vielen heute überhaupt kein Begriff mehr sein. Und wer kennt noch das Wort „Überzieher“, dem Otto Reuter ein Lied gewidmet hat? Ihnen allen setzt Alexander Wächter mit seinem Programm ein heiteres und liebenswürdiges Denkmal. Zwischen jüdischen (wie in Leopoldis „Soirée bei Tannenbaum“), böhmischen („Telefonbuchpolka“ von Georg Kreisler) und wienerischen ("Der Halbwilde" von Helmut Qualtinger und Gerhard Bronner) Klangfarben singt sich Wächter gut gelaunt durch das Kabarett-Repertoire von einst, begleitet von Wolfgang Trockner am Klavier. Beste Unterhaltung mit hinterfotzigem Witz und klugen Seitenhieben auf Wiener Befindlichkeiten.
Alexander Wächter: „Komik und Noten“ am 23. Februar 2017; weitere Vorstellungen bis 1. April auf dem Spielplan des Theaters Franzjosefskai21.