Zum 25-jährigen Jubiläum vom Imagetanz-Festival unter dem programmatischen Motto „Welcome Back“ animierte dessen Kurator Jacopo Lanteri acht Künstler, vergangene Stücke aus den Jahren 1992 bis 2012 wieder aufzunehmen bzw. an die nächste Generation weiterzugeben. Wie sie das machten, blieb ihnen überlassen. Um dem Unterfangen museales Gewicht zu verleihen, wurde die Festival-Eröffnung in die Kunsthalle am Karlsplatz verlegt.
Es gibt Stücke, die in Erinnerung bleiben. Etwa Doris Uhlichs „…und“, mit dem der Choreografin 2007 der Durchbruch gelang. Susanne Peterka war Teil der Originalbesetzung. Nun ist sie auch bei „Und noch einmal“ dabei und erzählt wie damals von ihren (im Laufe der Zeit wechselnden) Nachbarn in ihrem Haus, plaudert über das Gänsehäufl und Schrebergärten Dabei zieht sie sich mit einer natürlichen Selbstverständlichkeit und ruhigen Gelassenheit aus, bringt ihren nackten Körper in verschiedene Positionen, zieht sich wieder an. Die junge Dorothea Zeyringer harrt derweil stumm an ihrer Seite aus, bis sie von einem unbändigen Energieschub getrieben, mit ungeheurem Tempo im Kreis herumrennt und ungeduldig zappelt. Zuviel der Erinnerungen? Zuviel der Bemerkungen, dass das heute alles ganz anders sei? Uhlich und Zeyringer entwickelten mit diesem Duo jedenfalls in enger Referenz an das ursprüngliche Stück eine Variation, die in sich aussagekräftig ist.
Philipp Gehmacher hat 1997 mit seiner Reduktion in „The Mumbling Fish“ irritiert. Das kann er sich mit einer außergewöhnlichen Bühnenpräsenz erlauben. Die hat auch sein jüngerer Kollege Simon Mayer. Mit trockenem Humor beschreiben die beiden in Worten und in Bewegung wie sich Mayer über Video dem Stück angenähert hat und ob Mayer nun Gehmachers Erbe antreten wolle oder auch nicht.
Es gibt auch das Vergessen. Gerald Straub kann sich an Daniel Aschwandens „Splittertänze“ (1992) offenbar nicht erinnern. Der Choreograf ist nun Friseur, während Straub über die am Projekt Beteiligten sinniert. Aschwanden kann oder will ihm bei den Gedächtnislücken nicht weiterhelfen. Am Ende wird beim Publikum abgefragt, ob es auch brav aufgepasst hat und sich an das Gesagte erinnert. Die Haare haben sich inzwischen auf dem Boden gesammelt.
Dann gibt es Stücke die schemenhaft im Gedächtnis bleiben wie Superamas „Body Building“ als Philippe Riéras Solo mit einem Motorradhelm (1998). Nun rast Malika Fankha mit einem scheppernden Mountainbike auf die Bühne, ein Selfiestick wird zum Penis und wild durch die Gegend geschwenkt: „Pissing Everywhere is not very Chanel“ ist der jetzige Titel. Wer Lust hat, sich darauf weiter einzulassen, hat bei „The Inheritance Extra“ (21. März) Gelegenheit. Dafür hat auch Christine Gaigg ihr Stück „The Time Falling Bodies Take to Light“ (1998) in einer Lecture demonstration mit den Tänzern des Originals inszeniert. Die auf der Novelle „Barfuß“ von Michael Kleeberg beruhende Choreografie wurde am Eröffnungsabend von Simon Mayer und Matteo Haitzmann als intensiven (homo-)erotischen Beziehung nachgezeichnet, einer adaptierten Szene aus Mayers „Sons of Sissy“.
Und das gab es noch am langen Eröffnungsabend: Anne Juren baute „A?“ aus dem Jahr 2003 mit Sara Lanner zu einem Duo um – eine Studie in Anlehnung an die Experimente der Postmoderne. Andrea Gunnlaugsdóttir verkörpert Alix Eynaudis „Long Long Short Long Short“ steifbeinig und unbeholfen auf Rollerskates. Krõõt Juurak zitierte sich lieber selbst mit niedlichem Witz: „’Presentation’ is a live portfolio containing past, present and future works of Krõõt Juurak“.
Imagetanz 2017, Eröffnung am 3. März in der Kunsthalle Karlsplatz. Das Festival läuft noch bis 25. März im brut.
Kommentar: "Antikapitlistische Ikonoklasten und das künstlerische Erbe"